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Konzertkritik: Das Cabinet des Dr. Caligari im Prinzregententheater München, 2025

17. Februar 2025

Es war das vorerst letzte Konzert der Caligari-Tour von Karl Bartos. Zum zweiten Mal gastierte das ehemalige-Kraftwerk-Mitglied mit Mathias Black im Münchner Prinzregententheater und genoss sichtlich den Applaus des Publikums.

Im vergangenen Jahr absolvierte Bartos die ausgiebige Tour und zeigte seine musikalische Version des Robert Wiene Stummfilm-Klassikers das Cabinet des Dr. Caligari. Nun wurden 2025 die letzten Konzerte absolviert und weil Münchner im Herbst 2024 so gut lief, wiederholte Bartos sein Engagement im Prinzregententheater gleich nochmal.

Ich genoss Musik und den Film in seiner 4K-Version außerordentlich. Bartos und Black standen auf der Bühne hinter ihrem technischen Equipment. Keine Techniktürme wie bei TD, sondern minimalistisch wie man es von Kraftwerk kennt. Im Grunde hätte die Mensch-Maschine das Konzert ohne menschliche Beteiligung geben können, aber das Duo Bartos/Black spielten live. Das das Duo harmonierte perfekt, so dass ein perfekter Sound bei uns im Publikum ankam. Die Musik drückt den Irrsinn von Caligari aus, der einst als expressionistisches Meisterwerk in der Weimarer Republik entstanden ist. Bartos hat schon Humor, dieses Chaos von Weimar vor der Bundestagswahl aufzuführen, aber die Terminüberschneidung kommt wohl eher überraschend und ohne Vorsehung.

Ich habe bei Erscheinen das Album samt DVD angeschafft. Die Musik habe ich genossen, die Version des Films nicht, trotz 4K-Umsetzung. Ich hatte die DVD zweimal angeschaut und dann genervt in der Verpackung verschwinden lassen. Nicht weil der Film schlecht war, sondern die Interpretation. Ich bevorzuge die offizielle Version der Murnau-Stiftung auf Bluray oder die geniale Version in 4K

Zumutung
Was ich schon auf den DVD vom vergangenen Jahr schrecklich fand und in München live es auch als Zumutung empfand, war die Soundkulisse von Stimmen, Effekten und Schritten, die das Ensemble of Sounds dazu gemischt hat. Das ist ein Verbrechen an einem Meisterwerk des deutschen Expressionismus. Herr Bartos, Sie haben ein Sakrileg gegangen.

Zur Klarstellung: Bartos Musik und Wienes Film sind jeder auf ihre Art ein Meisterwerk, aber auf die beigesteuerten Effekte konnte ich getrost verzichten. Es gab schon in der Filmgeschichte immer wieder Versuche den Caligari durch Effekte zugänglicher zu machen – alle sind gescheitert und auch Bartos ist der Versuchung erlegen und musste einfach scheitern. Finger weg von dem Meisterwerk Caligari als Stummfilm. Da bin ich absoluter Purist.

Mord und Wahnsinn
Das Cabinet des Dr. Caligari ist ein legendärer, vielleicht der berühmteste deutsche Stummfilm. Entstanden kurz nach dem Ersten Weltkrieg, erzählt er eine doppelbödige Geschichte über Mord und Wahnsinn. Seine außergewöhnliche Gestaltung in schrägen, expressionistischen Kulissen machte ihn zum Kunstwerk – und zur Sensation des Jahres 1920. Die Filmkritik damals: „Es gilt, eine neue Seite in der Geschichte des Films zu beginnen: ‚Das Cabinet des Dr. Caligari‘ hat sich als eine künstlerische Einheit und ein Aufwärts in der Entwicklung des Filmspiels erwiesen; es stellt zum ersten Male die bildende Kunst ebenbürtig neben die darstellende.“

Aus dem Kaiserreich der Ordnung, ein Reich aus Eisen und Feuer, kam die deutsche Demokratie. Caligari bedeutete Aufbruch: Männer sind wie Künstler, die Krawatten waren schief, die Hüte saßen schief.

Die Geschichte ist in eine Rahmenhandlung gebettet, in der am Ende alles auf den Kopf gestellt wird. Dabei ist die Binnengeschichte schon aufregend genug: Franzis ermittelt wie ein Detektiv der populären Kriminalliteratur. Er observiert den Verdächtigen, entdeckt Geheimnisse in uralten Büchern. Der Film präsentiert seine Geschichte in einer unwirklichen, expressionistisch verzerrten Welt, geschaffen durch drei Kulissenmaler der Decla-Film-Gesellschaft: Hermann Warm, Walter Reimann und Walter Röhrig. Die expressionistische Gestaltung ist es, die den Film berühmt gemacht hat. Und die Musik von Karl Bartos passt hervorragend dazu. Sie zieht den Zuschauer in den Bann.

Vor der Bundestagswahl kamen mir Gedanken: Caligari der Verführer – er warf einen Blick in die Tiefen der deutschen Seele. Später wurde das ganze deutsche Volk verführt durch den Verführer Hitler. Die Tyrannenfigur Caligari, der Unheil über den Ort und Hitler der Unheil über die Welt verbreitete.

Der Autogrammjäger
Ich hatte im Vorfeld bei der Agentur von Bartos angefragt, ob der Meister dieses Mal auch Autogramme geben würde. Es wurde verneigt und trotzdem harrte ich mit ein paar Hardcore-Fans am Künstlerausgang des Prinzregententheater aus. Über eineinhalb Stunden in der eisigen Kälte, während im Inneren wohl der Tourabschluss gefeiert wurde, was ja auch sein musste. Doch die Feierrunde hatte nicht mit der Münchner Bürokratie gerechnet. Der Pförtner machte das Prinzregententheater um 23 Uhr dicht, Überstunden werden nicht in der derzeitigen Haushaltslage nicht bezahlt. Also kam der Künstlertross um Karl Bartos heraus und gab vereinzelt Autogramme. Selfies waren untersagt. Freundlich, aber bestimmt ging dann das Ehepaar Bartos seiner Wege. Zurück blieben eine Handvoll Fans mit ihren signierten musikalischen Schätzen. Ich sag ganz artig danke.