In öffentlichen Verkehrsmittel habe ich in der Regel meine AirPod im Ohr, damit ich die Gespräche meiner Umgebung nicht mithören muss. Bei der heutigen S-Bahn-Fahrt nach München hatte ich die Ohrteile noch nicht im Ohr versenkt und musste ein paar Gesprächsfetzen über Organspende einer älteren Frau und eines Mannes mitzuführen, es war die beigefarbene Fraktion. Im Gespräch bekräftigte man sich gegenseitig, warum sie niemals einen Organspendeausweis ausfüllen würden – Organhandel und so.

Auslöser des Gesprächs war wohl eine Meldung, dass Organspendeausweise angestiegen sind. Die Bereitschaft zur Organspende hat wohl stark zugenommen. Inzwischen besitzt fast die Hälfte der Deutschen einen Organspendeausweis, im Jahr 2021 war es noch etwas mehr als jeder Dritte. Das geht aus einer Befragung der Techniker Krankenkasse hervor. Laut der Stiftung Eurotransplant stehen deutschlandweit gut 8.500 Menschen auf der Warteliste für eine Organspende. Die meisten von ihnen hoffen auf eine Niere. Aber es gibt zu wenig Spender.
Ja, auch ich habe einen solchen Ausweis und jeder in der Familie hat einen solchen Nachweis. Das ist für mich gelebte Nächstenliebe. Und ich habe recherchiert, dass in Bayern die Zahlen besser sein könnten – kein Wunder bei einem solchen Pärchen in der S-Bahn.
Bayerns Gesundheitsminister Holetschek hat darauf hingewiesen, dass die Zahl der Organspender im Freistaat weiterhin auf einem niedrigen Niveau ist. Im laufenden Jahr sei bei 48 Personen nach ihrem Tod eine Organspende möglich gewesen. 1.100 Menschen warteten derzeit in Bayern auf ein lebenswichtiges Organ, meldete der BR. Übrigens, den Ausweis gibt es hier.
Und es kommt wieder die Widerspruchslösung in die Diskussion, die ja schon mal von der Politik abgelehnt wurde. Stattdessen setzt man in Deutschland auf Freiwilligkeit. Am 16. Januar 2020 stimmten in einer fraktionsoffenen namentlichen Abstimmung 432 Abgeordnete in dritter Beratung für die sogenannte Entscheidungslösung. Hier die damalige Entscheidung.
In den meisten Ländern Westeuropas gilt allerdings die Widerspruchslösung, die jetzt wieder einmal diskutiert wird. So beispielsweise in Österreich, Frankreich, Italien, Spanien, Portugal, Belgien, der Niederlande und Großbritannien. Damit werden Menschen automatisch zu Organspendern – wenn sie nicht zu Lebzeiten widersprochen haben. Ich halte diese Lösung für richtig und kann nur alle ermutigen, sich einen Organspendeausweis zu besorgen. Und ich kann nur hoffen, dass das Pärchen in der S-Bahn niemals ein Organ brauchen.

