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Pfingstmontag für mich auf der Kippe – Wenn der Glaube schwindet, wankt der Feiertag”

3. April 2025

Es folgt ein Gedankenexperiment: n Deutschland gibt es insgesamt neun bundeseinheitliche Feiertage, die in allen 16 Bundesländern gelten. Zusätzlich gibt es je nach Bundesland weitere regionale Feiertage, sodass sich die Gesamtzahl auf bis zu 14 Feiertage pro Jahr erhöhen kann – zum Beispiel wir in Bayern, das die meisten Feiertage hat.

Jetzt sagen Wirtschaftsmenschen, dass Feiertage gestrichen werden sollten, um die Wirtschaft in unserem Land wieder anzukurbeln. Wenn wir dieser Argumentation folgen, welcher Tag könnte gestrichen werden? Wie wäre es, wenn wir einen bundeseinheitlichen Feiertag opfern. Im Moment haben wir Neujahr (1. Januar), Karfreitag (beweglich, Freitag vor Ostern), Ostermontag (beweglich, Montag nach Ostern), Tag der Arbeit (1. Mai), Christi Himmelfahrt (beweglich, 40 Tage nach Ostern), Pfingstmontag (beweglich, 50 Tage nach Ostern), Tag der Deutschen Einheit (3. Oktober), 1. Weihnachtstag (25. Dezember) und 2. Weihnachtstag (26. Dezember).

Ich plädiere in dieser Argumentation dafür den Pfingstmontag abzuschaffen. Bei einem Trend zur säkularen Gesellschaft würde dieser christliche Feiertag für mich auf der Kippe stehen. Im Moment laufen den christlichen Kirchen die Gläubigen weg. Erstmals in der Geschichte Deutschlands stellen konfessionsfreie Menschen einen größeren Bevölkerungsanteil als Katholiken und Protestanten zusammengenommen. Dies geht aus den Daten hervor, welche die „Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland“ (fowid) auf ihrer Website veröffentlicht hat.

Wenn also weniger Leute in der Amtskirche sind, dann kann man auch einen Feiertag wie Pfingstmontag streichen. Viele wissen gar nicht, was der Pfingstmontag eigentlich ist. Nur zur Erklärung: Der Pfingstmontag ist der Montag nach Pfingsten, einem christlichen Feiertag, der 50 Tage nach Ostern gefeiert wird. Er erinnert an die Aussendung des Heiligen Geistes an die Jünger Jesu und gilt als Abschluss der Osterzeit. Hätten Sie es gewusst?

Zurück zu den Zahlen: Ende 2023 hatten die Konfessionsfreien mit 46 Prozent einen ebenso großen Anteil an der Gesamtbevölkerung wie Katholiken und Protestanten, 2024 sind sie an den Großkirchen vorbeigezogen: Laut den aktuellen Berechnungen von fowid-Leiter Carsten Frerk stellten Katholiken Ende 2024 23,7 Prozent der Bevölkerung, Protestanten (EKD) 21,5 Prozent, Muslime 3,9 Prozent, weitere Religionsgemeinschaften (u.a. orthodoxes Christentum, Freikirchen, Zeugen Jehovas, Judentum, Aleviten, Buddhisten und Hindus) 4,1 Prozent und die Konfessionsfreien 46,8 Prozent. Gerundet ergibt dies ein Verhältnis von 47 Prozent (Gruppe der Konfessionsfreien) zu 45 Prozent (Katholiken und Protestanten).

Seit 1871 hat sich der Bevölkerungsanteil der katholischen und evangelischen Kirchenmitglieder in Deutschland mehr als halbiert, während der Anteil der konfessionsfreien Menschen etwa um den Faktor 50 gestiegen ist. Foto: Giordano Bruno Stiftung

Klarer Trend
Dass die Anzahl der Konfessionsfreien die Zahl der Mitglieder der beiden Großkirchen hierzulande übertreffen würde, war schon lange absehbar: Wirft man einen Blick auf die gesellschaftliche Entwicklung seit der deutschen Reichsgründung 1871 , wird deutlich, dass sich der Bevölkerungsanteil der katholischen und evangelischen Kirchenmitglieder in Deutschland (von ursprünglich 98 Prozent auf nunmehr 45 Prozent) mehr als halbiert hat, während der Anteil der konfessionsfreien Menschen (von ursprünglich unter einem Prozent auf 47 Prozent) etwa um den Faktor 50 gestiegen ist.

Lebensbereich Kirche unwichtig
fowid-Leiter Frerk geht davon aus, „dass die konfessionsfreien Menschen noch in diesem Jahrzehnt die absolute Mehrheit in Deutschland stellen werden“. Eine Umkehr dieses Trends sei unwahrscheinlich. Frerk verweist hier unter anderem auf die aktuellen Daten der „Allgemeinen Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften“ (ALLBUS), die er vor wenigen Wochen für die „Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland“ ausgewertet hat. Demnach stufen 77 Prozent der Bürgerinnen und Bürger den „Lebensbereich Kirche“ als „unwichtig“ ein. Dabei zeigt sich: Je jünger die Menschen sind, desto geringer ist ihr Interesse an den Kirchen. Nur 7 Prozent der 18-29-Jährigen, 10 Prozent der 30-44-Jährigen, 12 Prozent der 45-59-Jährigen und 17 Prozent der 60-79-Jährigen halten die Kirche für wichtig. Allein bei den Über-89-Jährigen kommen die Kirchen noch zu respektablen Zustimmungswerten von 41 Prozent, doch selbst in dieser Altersgruppe hält eine relative Mehrheit von 43 Prozent die Kirchen für „unwichtig“.

Ein Beispiel: Bei uns im Dorf wird nach dem Osterfeuer gefragt. Die Menschen meinen die Party, am Ortsausgang bei dem Hölzer aufgetürmt und angezündet werden. Die Feuerwehr ist da und die Vereine schenken Bier aus und die Klamotten stinken. Eine Attraktion, eine Party, eine Unterhaltung. Heute ist das Osterfeuer auch ein soziales Ereignis – viele Gemeinden, Vereine und Dörfer organisieren es als festlichen Brauch für Jung und Alt.

ABER: Das hat nichts mit dem Osterfeuer des Christentums zu tun, dass morgens vor der Kirche entzündet wird. Das Osterfeuer ist ein altes Symbol für Licht, Leben und Hoffnung. Es wird traditionell in der Nacht von Karsamstag auf Ostersonntag entzündet und markiert den Übergang von der Dunkelheit des Todes zur Auferstehung Jesu Christi – dem zentralen Ereignis des christlichen Osterfestes. In vielen christlichen Gemeinden wird am Osterfeuer die Osterkerze entzündet, die dann feierlich in die dunkle Kirche getragen wird. Sie symbolisiert Christus als das Licht der Welt. Das Osterfeuer steht damit für den Sieg des Lebens über den Tod und ist ein Zeichen der Erneuerung. Gleichzeitig hat das Osterfeuer auch vorchristliche Wurzeln: Schon in heidnischen Frühlingsritualen wurden Feuer als Zeichen für die wiederkehrende Sonne und die Fruchtbarkeit entzündet. Diese Tradition wurde später vom Christentum aufgenommen und mit neuer Bedeutung versehen. Wenn man die Bedeutung nicht kennt und nur die Party wichtig ist, dann kann man auch den christlichen Feiertag streichen.

Auf dem Weg in die säkulare Gesellschaft
Was für die Kirchenverantwortlichen besonders dramatisch ist: Mit der zunehmenden Kirchenferne der Bevölkerung geht auch ein Abschied von traditionellen Glaubensvorstellungen einher. So glauben nur noch 17 Prozent der Bevölkerung im Sinne des christlichen (und muslimischen) Bekenntnisses an einen persönlichen Gott. Bei den Menschen, die aus der Kirche ausgetreten sind, bekennen sich nur noch knapp 3 Prozent zu einem personalen Gottesglauben.

Erosion des Glaubens
Die 2005 von der Giordano-Bruno-Stiftung gegründete „Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland“ hat die „Erosion des Glaubens“, die sich in diesen Zahlen widerspiegelt, schon früh prognostiziert. Inzwischen wird diese Erkenntnis auch von kirchlichen Studien untermauert. So kam die 2024 publizierte „6. Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung“ (KMU), die von beiden Großkirchen verantwortet wird, zu dem Ergebnis, dass die absolute Bevölkerungsmehrheit in Deutschland (56 Prozent) der Gruppe der „Säkularen“ zuzurechnen ist, die religiöse Angebote klar ablehnt. Im eigentlichen Sinne „religiös“ (also tatsächlich in christlichen, jüdischen oder muslimischen Gemeinden verankert) sind nach Angaben der KMU nur noch 13 Prozent der Bevölkerung. Noch geringer ausgeprägt ist die „gelebte Glaubenspraxis“, die sich in regelmäßigen Gottesdienstbesuchen ausdrückt: Nur noch 5 von 100 Menschen in Deutschland besuchen mindestens einmal im Monat eine Kirche, Moschee, Synagoge oder einen hinduistischen oder buddhistischen Tempel, wie Carsten Frerk in seiner aktuellen fowid-Auswertung herausgestellt hat.

„Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt“ – Pippi Langstrumpf wird 80 und bleibt eine Ikone der Freiheit

10. Februar 2025

Langsam werde ich alt und die Heldinnen und Helden meiner Kindheit altern mit mir. Eine meiner Heldinnen meiner TV-Zeit ist Pippi Langstrumpf und diese Ikone der Unabhängigkeit und Selbstbestimmung wird dieses Jahre 80 Jahre alt.

Pippi Langstrumpf hat Generationen von Mädchen und Frauen inspiriert. Seit ihrem ersten Erscheinen im Jahr 1945 hat sie Maßstäbe gesetzt und zeigt bis heute, dass weibliche Protagonistinnen in der Kinderliteratur stark, mutig und eigenständig sein können. Ihre rebellische Natur, ihr selbstbestimmtes Leben und ihr Widerstand gegen gesellschaftliche Konventionen machten sie zu einer unbewussten Vorreiterin der Frauenbewegung. Im Grunde ist Pippi Langstrumpf eine politische Figur.

Astrid Lindgren schuf mit Pippi eine Figur, die sich nicht den Erwartungen an Mädchen und Frauen ihrer Zeit unterordnete. Während die meisten weiblichen Charaktere in der Kinderliteratur des 20. Jahrhunderts sanftmütig, brav und angepasst waren, sprengte Pippi diese Rolle mit Leichtigkeit. Sie lebt allein in der Villa Kunterbunt, verfügt über übermenschliche Kräfte und besitzt einen Schatz voller Goldmünzen – sie ist finanziell unabhängig, körperlich überlegen und emotional unerschütterlich. Damit stellt sie ein Gegenbild zu traditionellen weiblichen Rollenbildern dar und ermutigt junge Leserinnen, ihre eigenen Grenzen zu hinterfragen. Anstatt sich an gesellschaftliche Normen zu halten, macht sie sich ihre eigenen Regeln und lebt nach ihren eigenen Vorstellungen.

Die Frauenbewegung der 1960er und 1970er Jahre entdeckte Pippi Langstrumpf als Symbolfigur für Emanzipation. In einer Zeit, in der Frauenrechte weltweit diskutiert und erkämpft wurden, passte Pippis Haltung perfekt in den gesellschaftlichen Wandel. Ihr berühmtes Motto „Ich mach mir die Welt, widdewidde wie sie mir gefällt“ wurde als Ausdruck weiblicher Selbstbestimmung interpretiert – ein Aufruf, sich nicht den Zwängen der Gesellschaft zu beugen, sondern das eigene Leben nach eigenen Vorstellungen zu gestalten.

Ein zentraler Aspekt von Pippis Bedeutung für die Frauenbewegung ist ihre Freiheit von männlicher Dominanz. Sie ist kein Mädchen, das gerettet oder beschützt werden muss, sondern übernimmt selbst die Rolle der Beschützerin. Während Tommy und Annika oft unsicher sind und sich an gesellschaftliche Regeln halten, stellt Pippi diese in Frage, widersetzt sich Autoritäten und zeigt, dass Regeln nicht immer sinnvoll sind. Sie lehnt sich gegen Lehrer, Polizisten und strenge Erwachsene auf, aber nicht aus Trotz, sondern weil sie ihr eigenes Urteil über richtig und falsch trifft.

Auch ihr Erscheinungsbild steht im Kontrast zu klassischen weiblichen Schönheitsidealen. Mit ihren abstehenden roten Zöpfen, den bunten Strümpfen und den viel zu großen Schuhen bricht sie mit der Vorstellung, dass Mädchen immer hübsch und ordentlich sein müssen. Sie ist nicht darauf bedacht, anderen zu gefallen – sie ist einfach sie selbst. Damit vermittelt sie ein starkes Körper- und Selbstbewusstsein, das viele Mädchen ermutigt hat, sich nicht nach gesellschaftlichen Erwartungen zu richten.

Doch Pippi ist nicht nur ein Sinnbild der Rebellion, sondern auch der Solidarität und Fürsorge. Sie setzt sich für Schwächere ein, hilft den Armen und beschützt ihre Freunde. Dieser Aspekt ihrer Persönlichkeit zeigt, dass Unabhängigkeit und Mitgefühl keine Gegensätze sind – eine wichtige Botschaft für die feministische Bewegung, die nicht nur Gleichberechtigung, sondern auch Gemeinschaftssinn und soziale Gerechtigkeit fordert.

Bis heute bleibt Pippi Langstrumpf eine Inspirationsquelle für Frauen und Mädchen weltweit. Sie steht für den Mut, anders zu sein, für die Kraft, gegen Ungerechtigkeit zu kämpfen, und für die Freiheit, das eigene Leben nach den eigenen Vorstellungen zu gestalten. In einer Welt, in der Mädchen oft noch subtil in traditionelle Rollen gedrängt werden, ist Pippi Langstrumpf ein leuchtendes Vorbild für Selbstbestimmung und Gleichberechtigung – und damit eine unvergängliche Heldin der Frauenbewegung.

Pippi Langstrumpf mag eine fiktive Figur sein, doch ihr Einfluss auf die Frauenbewegung ist real. Sie hat über Jahrzehnte hinweg dazu beigetragen, traditionelle Geschlechterrollen infrage zu stellen und jungen Mädchen das Gefühl zu geben, dass sie stark, unabhängig und einzigartig sein dürfen. In einer Welt, die noch immer mit Gleichberechtigungsfragen kämpft, bleibt Pippi Langstrumpf ein wichtiges Symbol für Selbstbestimmung und weibliche Stärke.

Zum 80. Geburtstag des stärksten Mädchens der Welt veröffentlicht der Filmkunst Musikverlag (FKM) die Originallieder aus der Pippi Langstrumpf Serie erstmals wieder auf Vinyl. Und das Beste: Pippi Langstrumpf – alias ihre deutsche Synchronstimme – meldet sich zwischen den Songs auch selbst zu Wort: mit Originalzitaten aus der Serie, von Plutifikation bis Polizei. Studio 100 International und der Filmkunst Musikverlag haben diese Audiotakes aus den Pippi-Filmen zusammen auch unter Einbeziehung der Synchronsprecherin Eva Mattes „geborgen“ und machen die limitierte Vinyl mit großflächigen Filmfotos und einer knallroten Platte zum Sammlerstück. Die Musik zu den Pippi-Liedern haben Jan Johansson, Konrad Elfers, Georg Riedel und Christian Bruhn komponiert, die Liedtexte stammen von Astrid Lindgren, Wolfgang Franke und Helmut Harun. Erscheinungstermin ist der 28.2.2025.