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Estland (16): Kino auf dem Geburtsort einer Nazi-Größe

25. Januar 2025

Ich bin ein Kinofan und schaue mir in aller Welt gerne Kinos und Filmtheater an. So auch in Estland. Dort gab es Multiplex-Kinos wie bei uns und auch kleine Arthouse-Kinos. Und es gibt das Sõprus in Tallinn. Das Sõprus (Estnisch für „Freundschaft“) ist das Kino der Altstadt für Filmbegeisterte und zeigt die Filme aus dem internationalen Festivalgeschehen. Die Filme werden meist in der Originalsprache mit estnischen und/oder russischen Untertiteln gezeigt. Aber es ist auch ein Ort schwieriger Vergangenheit.

Das Cinema Sõprus wurde 1955 eröffnet und spiegelt die sowjetische Architektur und Ideologie jener Zeit wider. Der Name „Sõprus“, was auf Estnisch „Freundschaft“ bedeutet, ist ein Relikt aus der sowjetischen Ära und sollte die Idee der Freundschaft zwischen den sozialistischen Staaten symbolisieren.

Das Gebäude wurde im Stil des sozialistischen Klassizismus erbaut, einer Mischung aus monumentaler Architektur und dekorativen Elementen, die die sowjetische Macht und den kulturellen Anspruch der damaligen Zeit widerspiegeln sollten. Die prächtige Fassade mit ihren Säulen und dekorativen Details zeigt, dass das Kino als kulturelles Aushängeschild der Stadt dienen sollte. Es war eines der modernsten Kinos in Tallinn und ein wichtiger Treffpunkt für Filmfreunde.

Im Inneren verfügte das Kino über einen großen, luxuriös gestalteten Saal, der sowohl für Filmvorführungen als auch für kulturelle Veranstaltungen genutzt wurde. Es war ein Ort, der nicht nur Filme präsentierte, sondern auch die sowjetische Kulturpolitik förderte, indem er vor allem Filme aus dem sozialistischen Block zeigte.

Wandel nach der Unabhängigkeit
Nach der Wiedererlangung der estnischen Unabhängigkeit im Jahr 1991 erlebte das Cinema Sõprus, wie viele Institutionen aus der Sowjetzeit, einen Wandel. Die Nutzung des Gebäudes veränderte sich, und es wurde zunehmend ein Ort für ein breiteres Publikum. Der Fokus verlagerte sich von der Propaganda hin zur Präsentation internationaler Filme, unabhängig von politischen Agenden.

Das Kino wurde restauriert, wobei der historische Charme des Gebäudes erhalten blieb. Es entwickelte sich zu einem Zentrum für Cineasten, das besondere Filme abseits des Mainstreams zeigt, darunter Arthouse-Produktionen, Retrospektiven und internationale Festivalhits.

Geburtsort von Alfred Rosenberg
Aber der Ort hat auch eine Vergangenheit des Nationalsozialismus. Der spezifische Standort des Cinema Sõprus, an der Kreuzung von Vana-Posti und Suur-Karja, war im frühen 20. Jahrhundert von Wohn- und Geschäftshäusern geprägt, die jedoch während des Zweiten Weltkriegs insbesondere durch die Bombardierungen im März 1944 stark beschädigt wurden. Viele dieser Gebäude wurden entweder im Krieg zerstört oder später während der sowjetischen Besatzung abgerissen, als Tallinns Stadtbild im Rahmen der sowjetischen Ideologie teilweise modernisiert wurde.

Dort stand auch das Geburtshaus von Alfred Rosenberg, einer der ideologischen Architekten des Nationalsozialismus. Er wuchs in der Nähe des heutigen Standorts des Cinema Sõprus in Tallinn auf. Rosenberg wurde am 12. Januar 1893 in Reval (dem heutigen Tallinn) geboren und verbrachte seine Kindheit in einem Haus in der Suur-Karja-Straße, die sich unweit des heutigen Kinos befindet.

Das Wohnhaus, in dem Rosenberg aufwuchs, stand in einem Viertel, das damals von der deutschbaltischen Oberschicht geprägt war. Tallinn (damals Reval) war ein kulturelles Zentrum der Deutschbalten, und Rosenbergs Herkunft und Erziehung in dieser Gemeinschaft prägten seine späteren Überzeugungen und Ideologien.

Das Gebäude, in dem er aufwuchs, existiert heute nicht mehr, da viele Gebäude in der Umgebung während des Zweiten Weltkriegs beschädigt oder zerstört wurden. Der heutige Standort des Cinema Sõprus wurde nach dem Krieg neu bebaut, sodass keine sichtbaren Spuren von Rosenbergs früherem Wohnhaus mehr vorhanden sind.

Die Verbindung von Alfred Rosenberg mit Tallinn ist jedoch ein historischer Aspekt, der in der Stadt wenig thematisiert wird, da seine späteren Rollen und Ideologien in der nationalsozialistischen Bewegung von großer historischer Kontroverse geprägt sind.

Estland (1): Die Reise beginnt

4. Januar 2025

Vor mir liegen einige Tage Estland. Ich war schon einmal da, aber das ist lange her. Inzwischen hat sich viel in den baltischen Staaten getan. Vor Corona ging meine letzte Reise nach Riga. Jetzt nach Corona geht meine erste Auslandsreise mit dem Flugzeug nach Tallinn, der Hauptstadt Estlands.

Einst war die Stadt unter der Hanse eine sehr reiche Stadt und ist vielen noch unter den Namen Reval bekannt. Die Hanse war eine Art EU des Mittelalters und hatte eine ähnliche Macht wie die Fugger in Augsburg. In Lübeck gibt es ein wunderbares Hansemuseum zu besichtigen. Hier mein Post von 2ß19 dazu. Nach der Entdeckung Amerikas veränderten sich die Handelswege und die Hanse verlor an Einfluss. In Tallinn treffe ich das Schwarzhäupterhaus an. Es wurde als Gildehaus der unverheirateten männlichen Kaufleute ohne Stadtrecht in Riga gegründet. Der Titel war „Neue Haus der Großen Gilde“. Das war etwa im 13. Jahrhundert und war damit so eine Art Wohngemeinschaft im jungen Mittelalter. Die Compagnie der Schwarzen Häupter war aus der Ende des 13. Jahrhunderts tätigen Bruderschaft des Heiligen Georg hervorgegangen und sie gründeten das Haus – heute ist die Vereinigung noch in Bremen zu finden. Der Heilige Georg war der Schutzpatron der Ritter. Später übernahm diese Rolle des Schutzherrn der Heilige Mauritius, dessen Mohrenkopf-Symbol im Haus zu finden ist und das Wappen der Schwarzhäupter ist. Der Name „Schwarzhäupterhaus“ wurde 1687 eingeführt. Ich habe in Riga den Stammsitz des Ordens besucht.

Heute ist Estland Teil der EU, es gilt der Euro und das kleine Land setzt voll auf Digitalisierung. Wie bei uns gibt es einen Mangel an Facharbeitern und hier setzen die Esten voll auf Technik. Das will ich mir anschauen. Während wir über Digitalisierung reden, ziehen es die baltischen Staaten durch. Bis auf beispielsweise Eheschließung und Scheidung haben die Esten ihre Verwaltung digitalisiert.

Und durch die Nähe zu Russland unterstützen die Esten den Freiheitskampf der Ukraine. Die baltischen Staaten waren 1918 nur kurz selbstständig. Estland fiel im Hitler-Stalin-Pakt an Stalins Sowjetunion, wurde dann von der Wehrmacht besetzt, dann wieder von den Sowjets bis die Sowjetunion unter Gorbatschow zerfiel. Estland wurde wie Litauen und Lettland wieder selbstständig und wissen, was es heißt unter russischer Unterdrückung zu leiden.

Also spannende Tage liegen vor mir. Zunächst die Reise vom heimischen Dorf per S-Bahn zum Flughafen München. Dort hat sich viel verändert. Es wird wieder massiv geflogen und auch ich muss für diese Reise widerwillig das Flugzeug von Air Baltic nehmen. Die Klimaveränderung durch Flugverkehr interessiert sichtlich keinen mehr. Ich habe ein schlechtes Gewissen, welches Klima ich meinen Kindern hinterlasse. Hochwasser bei uns zählt ja nicht. Hier ein kleines Reisevideo.

Nach zwei Stunden Flug, Landung und Bezug des Zimmers im Hotel Palace in der Altstadt erst einmal spazieren in der Altstadt, der erste Espresso und Blick auf den Weihnachtsbaum vor dem alten Rathaus. Tallinn, ich bin da und bin gespannt auf die kommenden Tage.

und hier noch ein Rundgang mit VR 360

Also es gilt für mich viel zu entdecken und werde bloggen.