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Musikkritik: The Complete Budokan 1978 von Bob Dylan

5. Dezember 2023

Irgendwie wurde man immer schief angesehen, wenn man unter Dylan-Fans gestand, dass man das Album At Budokan von 1978 gut fand und ja ich habe immer dazu gestanden: Mir hat die erste Japan-Tour von Bob Dylan im Land der aufgehenden Sonne gefallen – und so begrüße ich ausdrücklich die Veröffentlichung der kompletten Ausgabe The Complete Budokan 1978. Als Dylan-Fan habe ich mir gleich die fette Box gekauft und ein Unboxing gemacht.

Dylans allererste Konzerte in Japan, darunter acht Auftritte in der berühmten Nippon Budokan Hall in Tokio. Zwei der Budokan-Konzerte – der 28. Februar und der 1. März 1978 – wurden auf analogen 24-Kanal-Mehrspurbändern aufgezeichnet. 22 Auftritte aus diesen Konzerten waren auf „Bob Dylan At Budokan“ zu hören, einem 2LP-Set, das im April 1979 weltweit veröffentlicht wurde. The Complete Budokan 1978 ist das erste Mal, dass Dylans komplette Konzerte von seiner Welttournee 1978 offiziell erhältlich sind.

Die Musik auf dieser Tour wurde als Bob Dylan goes to Las Vegas bezeichnet. Chor und große Band. Die Songs waren komplett anders als bei der punkigen Rolling Thunder Tour, die Mitte der 70er durch die USA tourte. Weniger Punk, dafür mehr Melodie und der Meister singt hervorragend. Für mich repräsentiert die Aufnahmen Dylans künstlerische Evolution, da er sich hier von seinen folkigen und rockigen Wurzeln entfernt und sich in Richtung eines soundreichen, orchestralen Rocks bewegt. Die Live-Aufnahme aus dem Budokan in Tokio bietet eine einzigartige Perspektive auf Dylans Repertoire, da er einige seiner bekanntesten Songs in neu interpretierten Versionen präsentiert. Hardliner waren entsetzt und empfanden die abweichenden Arrangements als gewöhnungsbedürftig und das ist noch höflich ausgedrückt. Aber Dylan wäre nicht Dylan, wenn er nicht seinen Kopf durchsetzt. Für mich zeigen die Aufnahmen Dylans künstlerische Vielseitigkeit und die Bereitschaft, sich ständig neu zu erfinden. Der Kerl wird einfach nicht langweilig.
Die Begleitung durch ein großes Ensemble von Musikern, darunter Bläser und Hintergrundsängerinnen, verleiht dem Album eine theatralische Qualität. Die Energie, die von der Bühne strahlt, ist ansteckend, und man kann förmlich die Begeisterung des japanischen Publikums spüren. Songs wie „Like a Rolling Stone“ und „Blowin‘ in the Wind“ erhalten durch die reichen Arrangements eine neue Intensität, die sich von den Originalversionen deutlich abhebt.

Einige Puristen könnten argumentieren, dass diese experimentelle Phase nicht dem entspricht, was sie von Dylan erwarten, aber es ist wichtig, die künstlerische Freiheit zu würdigen, die Dylan hier ausübt. Das Album spiegelt den Geist der Zeit wider, in der Künstler nach neuen Wegen suchten, um ihre Musik zu präsentieren. Interessant ist ja dann auch, dass Dylan nach dieser Las Vegas-Phase in seine Prediger-Phase reinrutsche und die Konzerte zu wahren Gottesdiensten verwandelte.

The Complete Budokan 1978 ist sicherlich nicht das, was man von einem typischen Dylan-Album erwartet, aber es ist ein fesselndes Dokument einer kreativen Phase, in der der Künstler seinen Sound erforschte und die Grenzen seiner musikalischen Identität erweiterte. Es ist ein Zeugnis für Dylans künstlerische Reife und die Bereitschaft, sich ständig neu zu erfinden. Und ich schrieb es bereits: Mir gefällt die Sammlung sehr gut.