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Zwischen Stein und Stille – Geschichten eines vergessenen Friedhofs

21. Juni 2025

Der North Leith Burial Ground in Edinburgh, gelegen an der Coburg Street im Stadtteil Leith, ist ein bemerkenswerter historischer Friedhof mit einer bewegten Geschichte, reichen Symbolik und tiefen kulturellen Wurzeln. Durch Zufall entdeckte ich den Friedhof. Es war heller Sonnenschein, eigentlich untypisch für die schottische Hauptstadt.

Der Friedhof wurde im Jahr 1664 angelegt, nachdem der ursprüngliche Friedhof der alten St-Nicholas-Kirche durch den Bau einer Zitadelle im Auftrag Oliver Cromwells zerstört worden war. Für rund acht Jahre war der Stadtteil Leith ohne eigene Begräbnisstätte, bis dieser neue Friedhof nahe dem Water of Leith als Ersatz eingerichtet wurde. Mit seiner Fläche von etwa 0,2 Hektar war er über Jahrhunderte der Hauptbegräbnisplatz der Gemeinde North Leith.

Der Friedhof ist eng mit der Geschichte der North Leith Parish Church verbunden. Diese befand sich ursprünglich neben dem Friedhof, zog aber 1815 an die Madeira Street um. Trotz dieses Umzugs blieb der North Leith Burial Ground lange Zeit in Benutzung. Erst im 20. Jahrhundert wurde er für neue Bestattungen geschlossen. In den 1980er-Jahren wurde ein Teil des Geländes für den Ausbau des Water of Leith Walkways zerstört, was einige Gräber unwiederbringlich verlorengehen ließ.

Besonders eindrucksvoll sind die zahlreichen historischen Grabsteine aus dem 17. und 18. Jahrhundert. Sie sind reich verziert mit klassischen Motiven der Vergänglichkeit: Totenschädel, gekreuzte Knochen, Sanduhren, Engelsköpfe, Spaten, Herzen, Anker und sogar der sogenannte „Green Man“ – eine mythische Figur der Naturverbundenheit, die in einem Fall mit einem Anker im Mund dargestellt ist. Viele dieser Symbole deuten nicht nur auf den Tod hin, sondern erzählen auch von den Berufen und Lebensumständen der Verstorbenen, etwa durch eingemeißelte Werkzeuge oder Berufszeichen. Die Gestaltung ist oft barock, theatralisch und voller religiöser Anspielungen.

Unter den hier Bestatteten befinden sich einige bemerkenswerte Persönlichkeiten. Einer der bekanntesten ist Pfarrer David Johnstone (1734–1824), der über 59 Jahre lang der Gemeinde als Geistlicher diente und das Blindenasyl von Edinburgh mitbegründete. Auch Robert Nicoll, ein junger Dichter und Journalist mit politischem Engagement, fand 1837 hier seine letzte Ruhe. Umstritten ist die tatsächliche Grabstätte von Colonel Anne Mackintosh, einer Unterstützerin des Jakobitenaufstands von 1745, die möglicherweise ebenfalls auf dem North Leith Burial Ground liegt. Eine weitere historische Figur ist die Großmutter des späteren Premierministers William Ewart Gladstone, die ebenfalls in Leith begraben wurde. Ihre Grabstätte gilt als ein Hinweis auf die Verbindung der Familie zum kolonialen Plantagenhandel.

Heute ist der Friedhof ein öffentlich zugänglicher Ort der Erinnerung und Reflexion. Er dient nicht nur der Ahnenforschung, sondern wird auch im Rahmen von Führungen, Theaterprojekten und historischen Stadtspaziergängen belebt. So widmen sich Veranstaltungen wie „Ghosts of North Leith“ der szenischen Darstellung der hier begrabenen Persönlichkeiten, wobei Geschichte auf kreative Weise erfahrbar gemacht wird.

Der North Leith Burial Ground ist somit mehr als ein Friedhof – er ist ein Geschichtsspeicher, ein Spiegel religiöser und gesellschaftlicher Vorstellungen vergangener Jahrhunderte und ein inspirierender Ort, der bis heute zum Nachdenken anregt. Seine Lage am Fluss, umgeben von alten Gebäuden und modernen Entwicklungen, macht ihn zu einem einzigartigen Zeugnis der Wandlung Edinburghs – ruhig, eindrucksvoll und voller Geschichten. Mal sehen, wann ich mal in den Abendstunden hinkomme.