Wenn ich in TV-Formate wie „Goodbye Deutschland“, „Auswanderer“ oder ähnlichen Schrott hineinzappe, ist für mich immer Fremdschämen angesagt. Am liebsten mag ich dann so Episoden, wenn jemand ins Ausland auswandert und feststellt, dass dort eine fremde Sprache gesprochen wird, Ja, gebt mir mehr davon. Es gibt also Leute, die noch blöder sind als ich.
Wer Lust hat, in der Ferne einen Laden aufzumachen, dem empfehle ich Mallorca. Bei meinem jüngsten Besuch auf der spanischen Insel, die irgendwie ein deutsches Bundesland zu sein scheint, habe ich zahlreiche freie Lokalitäten gesehen. Wer ein Herz hat und wenig Verstand, der sollte zugreifen. Die spanische Wirtschaftskrise gilt es nicht zu beachten, aber ein naives Grundvertrauen wie „im doofen Deutschland bringe ich eh zu nichts, da muss es auf Malle klappen“ wäre nötig.
Da wäre einmal ein Kellerloch. Da kann man ne prima Disco eröffnen. Unter der Erde hört man den Krach nicht und es ist sicherlich saucool, in Malle eine Hüpf- und Anmachbude aufzumachen. Vor allem in einem Gebiet in dem lauter Rentner und Familien mit Kinder urlauben. Ich stell mir so ein spanisches Studio54 vor. Im Moment verkaufen ein paar Frauen billigen Schmuck vor dem Eingang, illegal versteht sich. Wer sollte sie denn verscheuchen, außer der künftige Mieter der Disco.
Und dann hätte ich noch einen coolen Laden im Angebot. Der steht schon über ein Jahr leer. Da muss unbedingt noch ein Shop mit Hippie-Klamotten rein oder Strandbedarf wie Luftmatratzen oder Ansichtskarten. Vielleicht sollte ich mich als Immobilien-Verchecker selbstständig machen? Und wenn TV-Sender nach neuen Locations suchen: Ich bin euer Mann.
Herr Wichmann von der CDU – ein Lehrstück über Politik.
Dieses Jahr stehen bei uns in Bayern wieder Wahlkämpfe an: Einmal für die Wahlen zum Bayerischen Landtag und dann zum Deutschen Bundestag. Mit dem Film Herr Wichmann von der CDU stimme ich mich auf die Phase des Stimmenfangs ein, schließlich gehört zu meinen Berufsfeld auch die Politikberatung. Mein jüngster Kommunalwahlkampf führte zu einem Bürgermeisteramt für meinen Kandidaten.
Herr Wichmann ist eine 75minütige Dokumentation über einen wackeren 25jährigen Wahlkämpfer aus Henryk Wichmann aus der Uckermark. Er trat 2002 als Direktkandidat für die CDU an, unterlag aber schließlich gegen Markus Meckel von der SPD. Der Film zeigt die mühevolle Kleinarbeit des jungen Kandidaten, der sich für sein Land und seine Mitbürger einsetzen will. Der Film ist ein wunderbares Lehrstück für alle Kommunalpolitiker. Dabei kommentiert der Film nicht mit Worten, sondern zeigt nur Bilder, schafft Atmosphäre. Kein Sprecher aus dem Off kommentiert die Szenen und interpretiert. Die Handlungen von Herrn Wichmann stehen für sich selbst. Daher ist der Dokumentarfilm von Andreas Dresen filmtechnisch eine sehr interessante Form der Dokumentation.
Für mich ist es ein interessanter Blick hinter die Kulissen eines Wahlkampfs in Deutschland, ohne Spin-Docter. Henryk Wichmann hat eine Vision und will diese verwirklichen. Er setzt sich für seinen Landstrich ein. Dabei kommt der (ungewollte) Humor im Film nicht zu kurz. Teilweise tragisch-komisch, teilweise leise-komisch wirkt das Vorgehen des CDU-Mannes. Das Ritual mit dem Aufstellen des CDU-Sonnenschirms und die zum Teil vergeblichen Versuche mit dem Wähler ins Gespräch zu kommen, haben etwas von Fremdschämen. Das Singen des Deutschlandliedes kam auch schon besser. Der Sonnenschirm wird immer wieder vom Wind umgekippt. Dabei lautet der Spruch von Wichmann doch: Frischer Wind bringt Bewegung in die Politik. Allein mit seinen Prospekten und Kugelschreibern steht Wichmann in leeren Fußgängerzonen oder Ausfallstraßen. Wenn er dann mit Bürgern ins Gespräch kommt, werden im Grunde nur Plattitüden ausgetauscht. „Die Grünen sind schuld, wenn keine Arbeitsplätze entstehen.“ Ist das die politische Auseinandersetzung, wie wir sie wollen? Teilweise aber auch erschreckend, wie frustriert die Wähler sind und zu welchen Äußerungen sie sich hinreißen lassen.
Hart ist der Job des Wahlkämpfers, der keinen großen Stab hinter sich hat und im Grunde ein Einzelkämpfer ist. Er ist Mädchen für alles, fährt mit seinem Mercedes zu den Auftritten, druckt Plakate selbst, plakatiert selbst, sucht das Gespräch auf Volksfesten, in Fußgängerzonen. Krasser Gegensatz dazu ein Unterstützungsauftritt von Angela Merkel, die auf eine perfekt eingespielte Wahlkampfmaschinerie zurückgreifen kann. Während bei Wichmann alles improvisiert ist, greift bei Merkel das Räderwerk ineinander.
Der Film zeigt Henryk Wichmann in der politischen Auseinandersetzung mit dem Gegner in Turnhalle und Gemeindezentren. Als Wichmann ein Altenheim besucht, zeigt der Film deutlich, was Stimmenfang heißt. Zwar scheint sich Wichmann für die Senioren zu interessieren, dennoch hatte ich das Gefühl, dass hier bei Kaffee und Kuchen nur nach Stimmen gefischt wird.
Ich empfehle den Film Herr Wichmann von der CDU jedem Wahlkämpfer, der sich die politische Ochsentour antun will. Der Film zeigt eindrucksvoll den mühsamen Kampf und auch das Scheitern. Weder Edmund Stoiber ist damals Kanzler geworden, noch Herr Wichmann hat sein Direktmandat erhalten. Der Film wurde 2012 fortgesetzt mit „Herr Wichmann aus der dritten Reihe“. Er zeigt die Arbeit des Abgeordneten im brandenburgischen Landtag.
Indien und Österreich bleiben für viele fremde Welten – vielleicht liegt es an der Sprache, vielleicht an der unterschiedlichen Mentalität. Aber beide Länder wurden mir ein großes Stück näher gebracht, als ich mir mal wieder den österreichischen Film Indien von 1993 ansah.
Der Film Indien mit den beiden Kabarettisten Josef Hader und Alfred Dorfer ist eine Liebeserklärung an das Leben. Er basiert auf einem Theaterstück der beiden, das an das Medium Film angepasst wurde. Im ersten Teil sehen wir wunderbare Komik, böse Satire und genaue Beobachtungen vom Leben, im zweiten Teil kommen die Tränen.
Also eine hervorragende Tragikkomödie rund um zwei unterschiedliche Mitarbeiter des Fremdenverkehrsamtes, die in Niederösterreich Gasthäuser auf ihre Hygiene überprüfen sollen. Besserwisser trifft Kleinbürgertum und ihre Konflikte sind nur allzu menschlich. Immer wieder musste ich mich beim Betrachten der Szenen fremdschämen, wenn ich die treffenden Dialoge verfolge. Ja, solche Leute und solche Situationen gibt es wirklich und ich kenne welche davon aus meiner Umgebung. Großes Kino ist übrigens die Szene im Hotelzimmer als es zur Beichte der gescheiterten Ehe kam.
Der zweite Teil des Films beginnt nach einer ausgelassenen Szene des indischen Tanzes und handelt vom Sterben und der Reinkarnation, symbolisiert durch das Essen einer Banane. Die Komik wird hier zurückgefahren, der Zuschauer erlebt das Drama und fünf verschiedene Stufen der Trauer. Hader/Dorfer durchspielen diese Phasen kongenial: Verneinung, Zorn, Verhandeln, Depression und Akzeptanz. Auch hier erweist sich das Autoren- und Darstellerduo als scharfsinnige Beobachter der Menschen.
Der Film Indien hat mir Österreich und Indien – in dieser Reihenfolge – näher gebracht und ich kann ihn nur empfehlen. Für die Zuschauer, die der österreichischen Landessprache nicht mächtig sind, gibt es Untertitel auf Hochdeutsch. Ja, der Film ist wirklich leiwand.