Posts Tagged ‘Alan Turing’

Konzertkritik: Elton John in Hamburg

16. Juni 2023

Ich wollte ihn unbedingt einmal live sehen: Elton John ist auf seiner Abschiedstour und sollte eigentlich 2020 in Hamburg gastieren. Dann kam Corona und die Tour wurde auf 2023 verschoben. Mit meiner Familie bin ich im Mai nach Hamburg den Auftakt des dreitätigen Hamburg-Gastspiels in der Barclays Arena zu erleben.

Ich hab das Konzert genossen, aber mit einer Träne in den Augen. Nie wieder werde ich diese schillernde Persönlichkeit live erleben dürfen. Es war ein wunderbarer musikalischer Abschied von einem Künstler, die meine Welt der Rock und Pop-Musik geprägt hat und ganz große Spuren hinterlassen hat. Zwar verzichtete ich am Merch-Stand mir ein Andenken zu kaufen, ich investiere mehr in seine Musik.

Gegenüber der Bühne nahm ich Platz und dachte an meine Jahre mit Elton John: Natürlich Diana, natürlich die seltsame Heirat mit der deutschen Braut Renate Blauel, dann das Bio-Pic Rocketman und vieles mehr. Einmal traf ich als Lokaljournalist den Meister Elton John auf dem Militärflugplatz Fursty in Fürstenfeldbruck. Der Musiker bekam eine Sonderstarterlaubnis mit seiner Maschine, ähnlich wie schon zuvor Frank Sinatra. Aber weder Sinatra noch John würdigen mich eines Blickes und es gab auch kein Autogramm, trotz meiner mitgebrachten Single von Crocodile Rock – schade.

Ich habe den Musiker Elton John als Jugendlicher 1983 mit seinem Hit I’m still Standing kennengelernt. John war menschlich in einer Krise und spielte sich mit zahlreichen Hits zurück an die Spitze. Der Song kam aus dem Album Too Low for Zero, was ich mir natürlich sofort zulegte. Ich wusste damals nichts von Bernie Taupin, der seit 1976 hier endlich wieder mit Elton John zusammenarbeite. Was ich auch nicht wusste, dass es das 17. Album des Künstlers war. Zug um Zug lernte ich die früheren Alben von Elton John kennen und lernte so viele fantastische Songs kennen.

Ich mag Goodbye Yellow Brick Road von 1973 und unter diesem Motto stand auch die Abschiedstour von Elton John. Das Ende des Konzerts war dann auch die gelbe Backsteinstraße, die im Musical Der Zauberer von Oz in die Smaragdstadt führt – einfach zauberhaft.

Ich hab es nicht geglaubt, dass ein Mann am Klavier so eine Show auf die Beine stellen kann. Beim Laufen bemerkt man den Hüftschaden des Künstlers und natürlich sind die Zeiten der Akrobatik auf dem Klavier vorbei. Mit 76 Jahren macht man einfach keine großen Sprünge, aber stimmlich ist Elton John grundsätzlich auf der Höhe und riss das Publikum mit. Auch dieses Publikum ist mit ihm gealtert und schwelgte wie ich in Erinnerungen an die alten Zeiten. Und wir genossen die Multimedia-Show auf der Bühne inklusive des fahrenden Flügels. Mein persönlicher Favorit war die Einblendung eines meiner Helden Alan Turing, der ebenso wie Elton John homosexuell ist, dies aber mit seinem Leben bezahlen musste.

Während der Zugabe erzählte Elton dem Publikum, dass seine allererste Show in Deutschland vor 51 Jahren in Hamburg stattfand und dass die Konzerte seine allerletzte Shows in Deutschland sein würden – wieder in Hamburg – und dass es „typisch für mich“ sei, den Kreis zu schließen, mit einem Lächeln.

Ich war mit der Setlist in Hamburg fast zufrieden – es waren alle Hits dabei, die ich hören wollte. Aber es fehlte der zweite Song der mich mit Elton John bekannt machte: Pinball Wizard aus dem Tommy-Film nach der Rockoper von The Who. Ich hatte und habe die Single aus dem Soundtrack und war von dem ungeliebten Song von Pete Townshend begeistert. Wahrscheinlich wollte Elton John bei der Welttour keine Tantiemen an Townshend abgeben, aber ich weiß es nicht. Was ich weiß, dass ich das Konzert sehr genossen habe – ebenso wie meine Familie und die zig Tausend Konzertbesucher.
Und das war die Setlist von Hamburg. Hinter den markierten Links befinden sich die Konzertaufnahmen als Video.

Bennie and the Jets
Philadelphia Freedom
I Guess That’s Why They Call It the Blues
Border Song (Aretha Franklin gewidmet)
Tiny Dancer
Have Mercy on the Criminal
Rocket Man (I Think It’s Going to Be a Long, Long Time)
Take Me to the Pilot
Someone Saved My Life Tonight
Levon
Candle in the Wind
Funeral for a Friend/Love Lies Bleeding
Burn Down the Mission
Sad Songs (Say So Much)
Sorry Seems to Be the Hardest Word
Don’t Let the Sun Go Down on Me
The Bitch Is Back
I’m Still Standing
Crocodile Rock
Saturday Night’s Alright for Fighting
Zugaben waren:
Cold Heart
Your Song
Goodbye Yellow Brick Road

Buchtipp: Können Maschinen denken? von Alan Turing

14. April 2021

Immer wieder erwische ich mich, dass ich mich tiefer in das Computerzeugs hineinarbeite. Ich meine jetzt nicht unbedingt Hard- und Software, sondern ich beschäftige mich auch gerne mit den gesellschaftskritischen und philosophischen Aspekten des Themas. Gerade im Zeitalter von KI sollten wir uns darüber Gedanken machen. Nach Joseph Weinzenbaum und Kurzweil habe ich mich am Wochenende mit Alan Turing beschäftigt.

Alan Turing in München.
Alan Turing in München.

Dabei meine ich nicht nur den sehenswerten Film The Imitation Game – Ein streng geheimes Leben, sondern seine Streitschrift Können Maschinen denken? Der Reclam-Verlag hat mir dankenswerterweise ein zweisprachiges Exemplar des Buches Können Maschinen denken? überlassen, das unter der Reihe Great Papers Philosophie herausgegeben wurde. 1950 hat Turing, den viele als den Enigma-Knacker kennen und der im Grunde die Wende gegen Hiterdeutschland eingeleitet hat, diese Schrift veröffentlicht. Nun liegt sie in neuer Übersetzung und ausführlicher Kommentierung vor, so dass auch ich als interessierter Laie den Ausführungen folgen kann.

Der Turingtest ist in vielen meiner Seminare zum Thema KI fester Bestandteil. Antwortet eine Maschine so, dass ein Mensch die Antworten als menschlich einordnet und nicht mehr erkennt, dass eine Maschine antwortet, dann ist der Turingtest bestanden. Die Rechner zu Zeiten Alan Turings waren dazu nicht in der Lage, aber er widmete sich theoretisch diesem spannenden Thema und diskutierte es in dieser Streitschrift Können Maschinen denken?.

Eliza von Joseph Weizenbaum
Immer wieder erinnere ich mich an meine Begegnung mit Eliza im Jahre 2017 im Computerspielemuseum in Berlin. Elizas Schöpfer war Joseph Weizenbaum. Eliza stammt aus dem Jahre 1966. Eliza war Teil von Joseph Weizenbaums Forschung im Bereich Mensch-Maschine-Kommunikation. Seine Idee, den Computer ein Gespräch simulieren zu lassen, sorgte damals international für Aufsehen und markiert einen wichtigen Wendepunkt im Verhältnis zu Computern. Es war im Grunde ein Versuch eines Gesprächs mit einem elektronischen Psychologen. Das Ergebnis mutet heute humorvoll an, war aber bahnbrechend.

Eliza von Joseph Weizenbaum
Eliza von Joseph Weizenbaum

Ich denke, dass Siri, Alexa, Chatbots oder ein anderes System bald soweit sind und den Turingtest bestehen. Bis es soweit ist, bleibt die theoretische Auseinandersetzung mit diesem Thema. Hier hat Alan Turing entscheidende Grundlagenarbeit geleistet. Spät wurde ihm die Anerkennung zuteil, die er verdient. Für mich ist er einer der Helden der IT und das Buch Können Maschinen denken? eine empfehlenswerte Lektüre.

Ausstellung We are Part of Culture im Münchner Hauptbahnhof

14. Juli 2018

Die Ausstellung ist in der Mittelhalle des Hauptbahnhofs zu finden.

Die Ausstellung ist in der Mittelhalle des Hauptbahnhofs zu finden.

Rechtzeitig zum Christopher Street Day in München an diesem Wochenende startet am Münchner Hauptbahnhof die Ausstellung We are Part of Culture. In der Mittelhalle sind Plakate und Texte aufgehängt, die die Rolle von LGBTTIQ (übersetzt Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transsexuelle, Transgender und Intersexuelle)) in der gesellschaftlichen Entwicklung Europas prägen. Mich haben die verschiedenen Stilrichtungen sehr interessiert, mit denen die Künstlerinnen und Künstler verschiedene Portraits von über 30 Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Politik, Kultur und Gesellschaft von der Antike bis heute geschaffen haben. Ich muss zugeben, am Besten hat mir Alan Turing gefallen, was sicherlich an meinem beruflichen Hintergrund liegt. 

Alan Turing in München.

Alan Turing in München.

Organisator ist das gemeinnützige Projekt 100% MENSCH. Es fördert und fordert die komplette rechtliche und gesellschaftliche Gleichstellung und Akzeptanz der sexuellen Orientierungen und Geschlechter. Dieses Ziel kann ich unterstützen. Ich habe in meinem Freundes- und Bekanntenkreis einige Schwule und Lesben, aber ich sehe hier keine Schwulen und Lesben – ich sehe nur Freunde und Bekannte. Ich halte es mit Friedrich II, der wohl auch schwul war: Jeder soll nach seiner Façon selig werden. Damals ging es um Religion, heute geht es um Geschlecht.

Zurück zur Ausstellung. Die Kunstausstellung WE ARE PART OF CULTURE zeigt in München über 30 Persönlichkeiten von der Antike bis heute, die unsere Gesellschaft, unsere Kultur nachhaltig geprägt haben. Es sind Menschen, die gleichgeschlechtlich geliebt haben und es sind Menschen, die eine geschlechtliche Thematik hatten. Die Portraits der Persönlichkeiten, wie von Virginia Woolf, Alan Turing, Friedrich II. von Preußen, Christina von Schweden, Lili Elbe und Selma Lagerlöf wurden von national und international bekannten Künstlerinnen und Künstlern wie z.B. Ralf König (Köln), Robert W. Richards (NY), Gerda Laufenberg (Köln), Anne Bengard (Berlin) speziell für die Ausstellung geschaffen. Die verwendeten Stilrichtungen von Tusche, Acryl, Stencil und Zeichnung bis zu Cartoon und Illustration sind dabei so vielfältig wie die vorgestellten Persönlichkeiten. Leider gibt es keine Plakate von den Kunstwerken zu kaufen. Auf der Website gibt es einen Katalog und Postkarten. 

Und ich finde es prima, dass die Deutsche Bahn sich für so ein Projekt einsetzt.  Mit der Deutschen Bahn AG konnte eine Kooperationspartnerin gefunden werden, die der Ausstellung die Möglichkeit eröffnet, in 20 großen Bahnhöfen Deutschlands gezeigt zu werden und so ein breit gestreutes Publikum zu erreichen. Der Grad der Niederschwelligkeit, der Barrierefreiheit und der „Zufälligkeit der Begegnung“ sind für diese Form der Diversity-Ausstellung einzigartig. An Bahnhöfen werden auch Menschen erreicht, die bisher keinen Zugang zu den Themen „Homosexualität“ und „Geschlecht“ hatten oder eine negative Grundhaltung einnehmen. Um möglichst viele Menschen erreichen zu können, wurden die Begleittexte der Ausstellung auf deutsch, englisch, russisch und arabisch erstellt. Dabei wurde auf die Verwendung einer einfach zu verstehenden Sprache geachtet.

Ich hab mir rund 20 Minuten die Ausstellung angesehen und auch auf die Reaktionen der Leute geachtet. Komplett unterschiedlich, wie ich feststellen konnte. Es gab extrem negative Äußerungen, verbunden mit Schimpfworten, die ich hier nicht zitieren werde. Bei jungen Leuten wurde in meiner Anwesenheit Freddie Mercury am meisten mit dem Smartphone fotografiert, wohl weil er der Jugend am bekanntesten war. Alan Turing, den ich verschiedentlich ableuchtete, war den meisten eher unbekannt – und wenn dann nur durch den großartigen Film The Imitation Game – Ein streng geheimes Leben. Dann gab es bestätigendes Kopfnicken und dann gab es hin und wieder eine Aussage, wie „Ich wusste gar nicht, dass der schwul ist, aber ist ja auch egal. Er war ein interessanter Mensch.“ Und richtig, es ist egal, ob einer so oder so oder so ist, er ist ein Mensch und das dürfen wir nicht vergessen. Also wer im Hauptbahnhof München Station macht, die Ausstellung We are Part of Culture unbedingt ansehen.