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Estland (12): Estnische Nationalmuseum: so muss ein Museum heute sein

18. Januar 2025

Das Gebäude fasziniert mich. Das Estnische Nationalmuseum (Eesti Rahva Muuseum) in Tartu ist eines der bedeutendsten Kultur- und Geschichtsinstitutionen Estlands.

Das heutige Gebäude des Estnischen Nationalmuseums befindet sich in Raadi, am Stadtrand von Tartu, und wurde im Jahr 2016 eröffnet. Das Gelände, auf dem das Museum heute steht, war ursprünglich Teil des historischen Raadi-Gutshofs, der bis zum Zweiten Weltkrieg als Anwesen der deutschbaltischen Familie Liphart diente. Der Gutshof beherbergte einst eine bedeutende Kunst- und Büchersammlung, die weit über die Grenzen Estlands hinaus bekannt war. Mit der sowjetischen Besetzung Estlands im Jahr 1940 endete diese Ära jedoch abrupt.

Der Standort spielte eine zentrale Rolle für die sowjetischen Luftstreitkräfte und diente als Basis für strategische Bomber und andere Flugzeuge. Wie viele sowjetische Militärstandorte war der Raadi-Flugplatz streng geheim. Zugang zum Gelände war streng reglementiert, und die Bevölkerung Tartus hatte kaum Einblick in die Aktivitäten vor Ort.

Der Flugplatz umfasste mehrere Start- und Landebahnen, Hangars und militärische Gebäude.
Nach dem Abzug der sowjetischen Truppen 1991, im Zuge der Wiedererlangung der estnischen Unabhängigkeit, blieb der Flugplatz verlassen und wurde zum Symbol der sowjetischen Besatzung. Das Gelände verfiel zusehends, und seine einstige Nutzung als Kulturort schien für immer verloren.

Symbol der Transformation
Darauf wurde das Museum errichtet, was symbolisch für die Transformation von Estland in einen modernen, unabhängigen Staat steht. Die Architektur des Gebäudes ist ebenso beeindruckend wie seine Inhalte. Entworfen von den französischen Architekten Dorell Ghotmeh Tane, gleicht das Gebäude einer schwebenden Landebahn, die sich aus der Landschaft erhebt. Mit einer Länge von 356 Metern und einer Fläche von 34.000 Quadratmetern ist es eines der größten und modernsten Museen in Nordeuropa. Es dient als Bewahrer der Geschichte, Traditionen und Identität des estnischen Volkes und ist gleichzeitig ein moderner Ort der Bildung und Inspiration.

Die innovative Bauweise kombiniert moderne Ästhetik mit funktionalem Design. Große Glasfronten und offene Räume schaffen eine Verbindung zwischen dem Museum und seiner Umgebung, während die minimalistische Gestaltung den Fokus auf die Ausstellungen lenkt.

Verschiedene Ausstellungen
Das Estnische Nationalmuseum beherbergt eine Vielzahl von Dauerausstellungen und wechselnden Sonderausstellungen, die unterschiedliche Aspekte der estnischen Kultur, Geschichte und Gesellschaft beleuchten. Das Museum besitzt eine der umfangreichsten Sammlungen zur Kultur und Geschichte Estlands. Die Sammlung umfasst:

Volkskunst und Handwerk: Traditionelle Kleidung, Textilien, Werkzeuge und Möbelstücke, die die Lebensweise und das Kunsthandwerk der Esten dokumentieren.

Dokumente und Fotografien: Historische Aufzeichnungen, Briefe, Karten und Fotografien, die einen Einblick in die Entwicklung der estnischen Gesellschaft geben.

Audiovisuelle Materialien: Aufzeichnungen von Liedern, Geschichten und Dialekten, die die Vielfalt der estnischen Sprache und Kultur zeigen.

Ethnografische Objekte: Artefakte aus den finno-ugrischen Kulturen, die die ethnischen Wurzeln der Esten erfahrbar machen.

Mein persönlicher Eindruck ist, dass das Museum ist mehr als nur ein Ort zur Aufbewahrung historischer Artefakte. Es spielt eine zentrale Rolle in der Identitätsbildung und Selbstreflexion des Landes. Das Museum trägt dazu bei, das Bewusstsein für die Geschichte und Kultur Estlands zu stärken und die Verbindung zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft herzustellen.

Was mich aber bei all der Geschichte und Kultur begeistert hat, war die Digitalisierung als Museumskonzept. So stelle ich mir moderne Museumspädagogik vor.

Die Digitalisierung ist ein zentraler Bestandteil des Konzepts des Estnischen Nationalmuseums (Eesti Rahva Muuseum) und prägt sowohl die Präsentation der Ausstellungen als auch die Zugänglichkeit und Verwaltung der Sammlungen. Das Museum hat es sich zur Aufgabe gemacht, modernste Technologien einzusetzen, um die kulturelle Vergangenheit mit der Gegenwart und Zukunft zu verbinden. Dabei dient die Digitalisierung nicht nur der Bewahrung des Kulturerbes, sondern auch der Erweiterung des Besuchererlebnisses und der Erschließung neuer Zielgruppen. Hier ein VR 360 Rundgang:

Digitalisierung der Sammlungen
Ein wesentlicher Aspekt der Digitalisierung im Estnischen Nationalmuseum ist die digitale Erfassung und Archivierung der umfangreichen Sammlungen. Das Ziel ist es, das kulturelle Erbe Estlands langfristig zu bewahren und gleichzeitig weltweit zugänglich zu machen.

Faszinierend für mich als ausländischer Besucher waren die interaktive Ausstellungen und dadurch ein optimales Besuchererlebnis. Die Digitalisierung hat auch die Gestaltung der Ausstellungen revolutioniert. Das Estnische Nationalmuseum setzt auf interaktive Technologien, um die Inhalte auf innovative und ansprechende Weise zu präsentieren. Dadurch wird das Museumserlebnis nicht nur informativer, sondern auch emotionaler und persönlicher.

Persönlich fand ich das erste Satellitentelefon super interessant und der Stuhl auf dem Skype erfunden wurde.

Es gibt eine Reihe Beispiele für digitale Technologien in den Ausstellungen, die mir aufgefallen sind.

Touchscreens und interaktive Displays: Besucher können über digitale Bildschirme zusätzliche Informationen zu den ausgestellten Objekten abrufen. Diese reichen von detaillierten historischen Hintergründen bis hin zu virtuellen Rekonstruktionen. Und die Texte werden auf Wunsch durch E-Ink-Technologie sofort in vielen Sprachen übersetzt, darunter auch Deutsch.

Augmented Reality (AR): Mithilfe von AR-Technologie können Besucher vergangene Epochen erleben, beispielsweise durch das Betrachten von rekonstruierten Szenen aus dem Alltag der Finno-ugrischen Völker oder traditionellen estnischen Festen.

Virtuelle Zeitreisen: In speziellen Bereichen des Museums können Besucher VR-Brillen nutzen, um in historische Szenarien einzutauchen. Sie können beispielsweise in ein traditionelles estnisches Dorf reisen oder historische Ereignisse hautnah erleben.

Personalisierte Inhalte: Viele Ausstellungsbereiche bieten Besuchern die Möglichkeit, Informationen nach ihren Interessen zu filtern, sodass sie eine individuelle und maßgeschneiderte Erfahrung machen können.

Ein besonderes Anliegen des Estnischen Nationalmuseums ist es, digitale Technologien als Vermittlungstool zu nutzen, um komplexe Themen auf verständliche Weise zu erklären. Durch multimediale Inhalte können historische Kontexte, kulturelle Praktiken und soziale Zusammenhänge anschaulich dargestellt werden.