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Ich wollt, ich wär ein Huhn – digital restauriert

13. Februar 2013

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Die familieninterne Diskussion um den richtigen Liedtext des Liedes „Ich wollt, ich wär ein Huhn“ ist zu Ende. Die Uraufführung der restaurierten Fassung von „Glückskinder“ findet im Rahmen der Berlinale Retrospektive heute am 13. Februar 2013 im CinemaxX statt. Dann werde ich den Schlager in einer restaurierten Version hören.

Der Schlager aus der 1936 entstandenen Screwball Comedy „Glückskinder“ mit dem Traumpaar Lilian Harvey und Willy Fritsch überdauerte mehr als 70 Jahre unbeschadet. Anders dagegen das Filmmaterial: Aufgrund chemischer Zersetzung wurde das Kameranegativ bereits vor langer Zeit vernichtet. Für die Berlinale-Retrospektive mit deutschen und internationalen Filmen, die von der Weimarer Filmkultur geprägt sind, restaurierte die CinePostproduction „Glückskinder“ im Auftrag der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung (Wiesbaden). Um fehlende Sequenzen aus gänzlich unterschiedlichen Ausgangsmaterialien wiederherzustellen, entwickelte das Team dabei ein Verfahren, bei dem erstmals neueste Stereo-3D-Techniken in der Restaurierung zum Einsatz kamen.

Als Hauptmaterialquelle nutzte die CinePostproduction eine Nitrokopie der Deutschen Kinemathek (Berlin), die direkt vom Originalnegativ abstammte. Durch den Einsatz als Vorführkopie wies sie unter anderem an 70 Stellen durch Abnutzung entstandene Lücken von bis zu 5 Sekunden auf. Zur Ergänzung des fehlenden Materials diente eine Sicherungskopie des Bundesarchiv-Filmarchiv (Berlin), deren Qualität allerdings durch doppelten Bildstrich und Schärfeverlust eingeschränkt war. Daher sollten nicht ganze Szenen, sondern jeweils nur die Einzelbilder ersetzt werden.

Die Herausforderung: Da die Materialien sich in Gradation, Bildstand und Geometrie deutlich unterscheiden, können beim Einblenden der fehlenden Bilder Doppelränder, Helligkeitsflackern und geometrische Verzerrungen entstehen. Um hier Artefakte zu vermeiden, behandelte CinePostproduction die Rollen in einem erstmals eingesetzten Prozess wie zwei Teile einer 3D-Aufnahme, die zur Überlagerung gebracht werden. Die Materialien wurden über 10 Einzelbilder, in denen vor und nach den Lücken überblendet wurde, komplett angeglichen. Mit Hilfe von eigenentwickelten Algorithmen wurde zunächst die Geometrie vertikal angeglichen, das Bild um 90 Grad gedreht, erneut vertikal angeglichen und zurücktransformiert. Dieses neuartige Verfahren, entliehen aus der 3D-Pipeline der CinePostproduction, wurde auch bei dem Safety-Dup-Negativ erfolgreich eingesetzt, das als Ersatz für zahlreiche stark verschrammte Szenen verwendet wurde.

Bei der eigentlichen Bildrestaurierung kamen die eigenentwickelten Tools der ReFine-Pipeline für die unterschiedlichen Restaurierungsschritte zum Einsatz, die jeweils auf die Anforderungen des Projekts und den spezifischen Materialzustand zugeschnitten werden. Werktreue war hier oberste Prämisse. Auch sollten die heutigen Zuschauer die zeitgenössische Technologie und Seherfahrungen des Originalpublikums erleben können. Speziell für „Glückskinder“ wurde in der ReFine-Pipeline eine Angleichung der extrem dunklen Schaltfelder entwickelt, welche am Anfang jeder der insgesamt etwa 480 Szenen auftreten.

Damit ist die Familiendiskussion um den Songtext zu Ende. Ich sang immer: „Ich legte täglich nur ein Ei und sonntags auch mal zwei.“ Andere Familienmitglieder behaupteten, dass der Text wie folgt lautete: „Ich legte täglich nur ein Ei und sonntags hätt ich frei.“ Ich hab also gewonnen.