Was für meine Generation der 11. September war, ist für die Generation meiner Kinder das Corona-Virus – diesen Satz habe ich irgendwo in der Flut von Beiträgen in sozialen Netzwerken gelesen. Ich denke, die Aussage ist richtig.
Mich hat es als Freiberufler und Vortragsreisender voll erwischt. Alle Aufträge sind quasi über Nacht weggebrochen. Ab nächster Woche werde ich an neuen Ideen arbeiten, nach dem Motto Krise als Katalysator für den Wechsel. Die schönen Sonntagssprüche „In der Krise liegt die Kraft“ und „aus der Krise wird etwas neues entstehen“, könnt ihr euch übrigens sparen.
Dieser Tage hatte ich noch mit der Abwicklung verschiedener Sachen zu tun. Und ich musste Besorgungen machen und habe wahrgenommen, wie sich meine Umgebung verändert. In Bayern gilt seit heute um 0 Uhr eine Ausgangsbeschränkung, die das öffentliche Leben deutlich herunterfahren soll. Ob wirklich so viele Corona-Parties gefeiert wurden, kann ich nicht beurteilen. Aber ich habe gemerkt, wie Menschen sich in die eine oder andere Richtung verändern. Es widerstrebt mir, dass aufgrund einiger Volltrottel die Freiheitsrechte eingeschränkt werden. Ich halte die Entscheidung für richtig, aber Holzauge sei wachsam. Die Verkündigung des souveränen Ministerpräsidenten Söder habe ich im Büro meiner Frau gesehen. Wichtig ist die Unterscheidung zwischen Ausgangsbeschränkung und Ausgangssperre.
Der Lacher Toilettenpapier bewegt die ganze Nation. Ministerpräsident Söder bewies in der Krise auch Humor und besichtigte ein Verteilungszentrum von Rewe. Das Videostatement gab er ernst, im Hintergrund aufgeschichtete Rollen Toilettenpapier. Aber der Drang nach Toilettenpapier ist in der Nation enorm. Beim Rossmann im Nachbarort Puchheim gab es nur eine Packung pro Nase – „bitte jeder nur ein Kreuz“.
Bei meinen örtlichen Edeka wurde schnell aufgefüllt, wenn frische Ware eintraf. Aber der Hamster war auch bei uns im Dorf anzutreffen.
Nudeln, Mehl, Saucen – es waren schon deutliche Lücken in den Regalen festzustellen – so viele Nudeln kann man gar nicht fressen. Aber ich freue mich, wenn ich die Verkäuferinnen in „meinem“ EDEKA Leich in Maisach treffe. Gut gelaunt und freundlich – so muss es sein. Kleiner Plausch hier und dort – freilich mit dem notwendigen Abstand, aber zutiefst menschlich.
Beim Drogeriemarkt Rossmann in Puchheim musste ich eine Kundin mal rund machen – wenn ich mal explodiere, dann aber mit Wums. In unfreundlichen Worten wies ist die Zicke zurecht. Lautstark drängelte sie an der Kasse mit ihrem vollen Einkaufswagen.
Ich lernte das Schlange stehen, wie die Verwandtschaft einstmals im Sozialismus. Für meine Eltern musste ich in der Apotheke Medikamente besorgen und reihte mich ein – zwei Meter Abstand haben prima geklappt. Es durfte immer nur ein Kunde in die Apotheke. Die PTA schaute hinter Plastikfolie hervor.
Natürlich ist gestern – kurz vor der vorläufigen zweiwöchigen Schließung der Baumärkte, auch ein Abflussrohr im Bad undicht geworden und wir hatten nur noch drei Stunden, einen Baumarkt zu besuchen. Lange Schlangen davor am Hasenbau, wie der Hagebau in Fürstenfeldbruck familienintern heißt, aber die Menschen waren diszipliniert. Eine superfreundliche Security stand für Notfälle bereit, musste aber nicht eingreifen. Der Siphon wurde käuflich erworben und auch das Anstellen an der Kasse klappte mit dem notwendigen Abstand.
Beim örtlichen Döner-Laden (Döner ist die beste Medizin) klappte es ebenso gut wie beim örtlichen Bäcker Dafner im Dorf. Es wurden am Boden Abstandslinien angeklebt und die Kunden beachteten sie. Der Bäcker änderte seinen Eingang und die Laufrichtung der Kundschaft – gut mitgedacht. Unser Eisdealer Alberto verkauft nur noch mit Abstand im Straßenverkauf. Corona ist kein Spaß.
Wenn ich meine Familie zu Ärzten gebracht habe, dann wird deutlich: Corona ist wirklich kein Spaß. Ernsthaft gehen Mediziner, Schwestern, Pfleger, Arzthelfer ihrer Profession nach. Hinweisschilder an den Praxen und Kliniken verdeutlichen den Ernst der Lage. Meinen alten Herrn konnte ich nur an den Empfangsbereich der Herzklinik bringen, die Anmeldung und den Weg ins Zimmer musste er allein ohne meine Hilfe bewerkstelligen. Die schwierige Operation in den nächsten Tagen muss er ohne uns durchstehen. Ich kann nicht für ihn da sein – da muss ich schlucken.
Corona wird unser Leben verändern. Das Thema wird uns die nächste Zeit begleiten.
Die Straßen übrigens bei uns im Dorf sind leer. Kaum ein Auto unterwegs. Klappt doch mit der Ausgangsbeschränkung.
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21. März 2020 um 11:05 |
Schöne Zustandsbeschreibung. Vieles ist hier ähnlich, auch wenn wir noch keine Ausgangsbeschränkungen haben. Dafür geschlossene Restaurants und Cafés und Einreiseverbot für Urlauber. Mir ist allerdings etwas mulmig angesichts des Tempos, mit dem eine Schließung und einschränkende Maßnahme nach der anderen verhängt wird, ohne zu wissen, ob die davor vielleicht schon gegriffen hat. Außerdem kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass der eine oder andere Politiker klammheimlich ein bisschen Freude daran hat, den Bürgern mal ohne Widerspruch sagen zu dürfen, wo’s langgeht.
Deinem Vater alles Gute.
21. März 2020 um 11:49 |
Toller Blogg und fast allem stimme ich zu.
Nur, dass 9/11 für uns ebensolche Einschränkungen gebracht hat, teile ich nicht. Das Leben, zumindest in Deutschland u d Europa Ging ohne Ein- und Beschränkungen weiter. Es wurde nichts geschlossen u d es habe keine Hamsterkäufe. Es wurde diskutiert, sich über politische Entscheidungen ausgelassen. Aber das war es dann. Vielleicht sehe ich das als ehemaliger Militär etwas anders. Im Ernstfall setzen Soldaten immer ihr Leben für den Staat und die Bürger ein. Ein großes Dankeschön an alle , die in diesen Zeiten ihre Stellung halten und uns durch ihre Arbeit so sehr helfen!!!
21. März 2020 um 13:44 |
Gute Momentaufnahme von meinem Heimatort Maisach. War heute fast alleine beim Bäcker.