Als ich Kind war, gab es bei uns zwei Fraktionen: Die einen spielten mit der Eisenbahn, die anderen spielten mit einer Rennbahn. Ich gehörte eindeutig der Rennbahn-Fraktion an und liebte meine Carrera-Bahn.
Und als ich den Carrera-Rennstall in Maisach im bayerischen Landkreis Fürstenfeldbruck betrat, da kamen die Emotionen meiner Kindheit wieder hoch. Uwe Furthmann betreibt den Rennstall mitten im Dorf und hat einen alten Stall an der Bahnhofsstraße zur Rennstrecke für Carrera-Rennboliden umgebaut. Zusammen mit Gleichgesinnten trainiert er, veranstaltet Rennabende und bietet den Rennstall auch zur Miete für Jugendgesellenabschiede, Stammtische oder Rennfreunde an. Infos in der Facebook-Gruppe „Carrera Rennstall Maisach“ oder direkt bei uwe.furthmann@gmail.com
Das echte LeMans 2020 ist gerade abgeschlossen. Da finde ich es eine Idee eines privaten Carrera-Rennens prima. Es ist eine ganz sympathische Freizeitbeschäftigung.
Wer den Rennstall betritt, ist erst einmal erschlagen von der Größe der Rennbahn. Strecken, Tunnel, Tribünen, Boxen, Zuschauer, Berge – so stell ich mir eine ideale Modelllandschaft vor. Und ich sehe vor meinem geistigen Auge die Hunderte Stunden Arbeit, die Uwe Furthmann in seine Bahn gesteckt hat. Bei eBay, Sammlermärkte und Flohmärkte besorgt er sich Ersatzteile und Fahrzeuge. Wenn Brücken, Gebäude oder Tribünen nicht mehr im Original zu finden sind, dann kommt ein 3D-Drucker zum Einsatz. Als Gastgeschenk habe ich meine alte Rennbahn aus Kindertagen mitgebracht, die ich als Kind hatte. Hier ist mein Carrera Hockenheimring 30350 in den besten Händen. Im Rennstall wird auf Carrera Universal gefahren – das System meiner Jugend. Damit fahren die Rennwagen stabil in einer Spur, anders wie auf den späteren Systemen wie Carrera Go.
Ich schaute bei einem Rennen vorbei. Die Rennen werden mit einem Fahrzeug gefahren. Bei einem defekten Fahrzeug darf ich mit einem Ersatzfahrzeug weiterfahren. Es gibt zwei Arten von Rennen. Im Zeitrennen wird die zurückgelegte Strecke in einer vorgegebenen Renndauer gewertet. Im Rundenrennen wird die Zeit, für die vorgegebene Anzahl an Runden gewertet. Jeder Teilnehmer muss die volle Rundenzahl fahren.
Während ein Sportfan im hinteren Bereich des Rennstalls an einer Werkbank saß und die Reifen seines Flitzers optimierte, waren andere im Raum an neuralgischen Punkten verteilt. Ihre Aufgabe war es, die Autos wieder auf die Bahn zu setzen, wenn sie bei hoher Geschwindigkeit aus der Kurve fliegen. Nicht Vollgas ist für die beiden Piloten angesagt, sondern gefühlvolles Fahren und eine Fahrstrategie. „Entspannt weiterfahren“, ist der Rat von Furthmann. Gefühl beim Fahren durch die Modelllandschaft ist die Devise. Es wurden 100 Runden von zwei Fahrer gefahren. Dies dauerte rund 34Minuten – und das bei höchster Konzentration. Am Ende des Rennens waren die Piloten nass geschwitzt und außer Puste. Carrera strengt an, macht aber unheimlich Freude. Die Männer ohne Nerven steigerten sich ins Rennen hinein. Ein Wagen durchbrach die Leitplanken, flog aus der Bahn und krachte gegen einen Styroporberg. Schnell einsetzen und weiterfahren durch die Welt von Farbe, Spachtel, Material aus dem Floristenhandel, Ikea und Modellbau.
Uwe Furthmann kennt seine Bahn freilich am besten und kann entsprechende Fahrtipps geben. Seit November 2019 hat er an den Strecken gebaut, Kabel verlegt und den alten Kuhstall in ein Rennparadies verwandelt. Der Strom kommt von leistungsfähigen Labornetzteilen, die mehr Saft als die traditionellen Carrera-Transformatoren liefern. Das hohe Piepsen der Elektromotoren erfüllt den Raum. „Im Grunde sind Carrera-Autos die ältesten E-Autos der Welt“, so Furthmann. An der Wand Fotos von Le Mans, Pokale am Tisch aufgereiht und natürlich Autos, Autos, Autos. Ein Ford GT40 fällt mir sofort ins Auge. Das war schon immer einer meiner Lieblingswagen. Als Kind habe ich das Auto nie von meinen Eltern bekommen. Irgendwann habe ich den Wagen im Original mal live gesehen – eine starke Kiste. Und ich will unbedingt mal zu LeMans.
Schlagwörter: Carrera, Ford GT40, Landkreis Fürstenfeldbruck, LeMans, Maisach, Rennstall, Uwe Furthmann
21. Oktober 2020 um 13:03 |
„Jugendgesellenabschiede“
Es ist wohl „Junggesellenabschiede“ gemeint?
🙂