Heute vor 45 Jahren Bob Dylan in Nürnberg auf dem Nazigelände

Wer mich kennt, der weiß, dass ich ein Bob Dylan-Fan bin. Ich habe alle regulären Alben und zig Bootlegs auf Vinyl, CD und als Datei. Und heute höre ich ein Konzert, rauf und runter, das sich heute zum 45. Mal jährt: Bob Dylan live in Deutschland an einem ganz besonderen Ort.

Am 1. Juli 1978 trat er zusammen mit seiner Band und Eric Clapton auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände vor 80.000 Fans auf. Gegenüber der Tribüne auf der Hitler seine Ansprachen gehalten hatte, spielte der Jude Bob Dylan seine 1978-Tour. Die Zuschauer auf dem Zeppelinfeld wandten Hitler symbolisch den Rücken zu und feiern Dylan, wie es Konzertimpressartio Fritz Rau in mehreren Interviews ausdrückte. Das muss für Dylan ein sehr starkes emotionales Ereignis gewesen sein und sofort dachte ich an seine Zeile „Don’t follow Leaders“.

Ich habe das Konzert auf mp3 und höre es mir immer wieder an. Gerne, sehr gerne hätte ich diesen denkwürdige Konzert als offizielle Bootleg Series, denn es sollte der Nachwelt zugänglich gemacht werden. „Ich weiß, wo und warum ich diesen Song heute spiele“, hatte Dylan seinen Song „Masters Of War“ kommentiert. Hier eine Aufnahme davon.

Angereist ist Dylan von Berlin nach Nürnberg per Zug mit der damaligen Bundesbahn. Und er hatte einen besonderen Wagon. Es war der Salonwagon von Reichsmarschall Hermann Göring samt Bett und Küche. Wie muss sich Dylan gefühlt haben, als er sich dieser Tatsache bewusste wurde. Er bereiste seine Europakonzerte mit dem Zug, denn er wollte etwas von der Landschaft sehen. Er war ja nur davor 1965 auf seiner Tour durch England in Europa. In Berlin wurde Dylan ausgepfiffen, weil er nicht den Protestler geben wollte. 1978 stand für ihn eher eine Las Vegas-Show mit Chor im Vordergrund. In Nürnberg aus Respekt vor dem Ort allerdings nicht in Show-Klamotten. Die Stimmung in Nürnberg war nicht so feindselig gegenüber Dylan.

Das Nürnberger Konzert war auch gefährdet. Die Wehrsportgruppe Hoffmann mit ihrem Anführen dem Nürnberger Grafiker Karl-Heinz Hoffmann, eine Gemeinschaft bundesdeutscher Rechtsterroristen, hatte angekündigt, das Konzert auf dem Reichsparteitagsgelände zu stören oder gar zu verhindern. Passiert ist offiziell nichts, Gott sei Dank. Ob etwas hinter den Kulissen abgelaufen ist, kann ich nicht beurteilen.

Die Band spielte 30 statt der gewohnten 28 Songs, so die Setlist.
She’s Love Crazy
Baby, Stop Crying
Mr. Tambourine Man
Shelter from the Storm
It’s All Over Now, Baby Blue
Tangled Up In Blue
Ballad of a Thin Man
Maggie’s Farm
I Don’t Believe You (She Acts Like We Never Have Met)
Like a Rolling Stone
I Shall Be Released
Going, Going, Gone
A Change Is Gonna Come
Love Minus Zero/No Limit
A Hard Rain’s A-Gonna Fall
One of Us Must Know (Sooner or Later)
You’re a Big Girl Now
One More Cup of Coffee (Valley Below)
Blowin’ in the Wind
I Want You
Señor (Tales of Yankee Power)
Masters of War
Just Like a Woman
Don’t Think Twice, It’s All Right
All Along the Watchtower
All I Really Want to Do
It’s Alright, Ma (I’m Only Bleeding)
Forever Young
I’ll Be Your Baby Tonight
The Times They Are A-Changin’

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5 Antworten to “Heute vor 45 Jahren Bob Dylan in Nürnberg auf dem Nazigelände”

  1. Avatar von Andi Andi Says:

    ach wie gern hätte ich Dylan in den 70er Jahren live gesehn….!!!

  2. Avatar von Andi Andi Says:

    Ganz unverhofft komme ich doch noch zu meinem Bob Dylan Gottesdienst. Ich glaubte schon selbst kaum noch daran, aber er kommt heuer nochmal nach Deutschland. Und im Oktober bin ich in Nürnberg live dabei!

    Wow. Damit habe ich nicht mehr gerechnet! Seit 2019 habe ich ihn nicht mehr gesehen, aber aktuelle Youtube Mitschnitte machen mir gute Hoffnung. Er ist immer noch verdammt stark.

    Besuchst du das Konzert in Nürnberg auch? Und hast du den Trailer für „Complete Unknown“ schon gesehen?

    Grüße Andi

    • Avatar von redaktion42 redaktion42 Says:

      Ich freue mich auch sehr, den Meister wieder zu treffen, vielleicht ist es das letzte Mal. Ich bin in Nürnberg und in Berlin dabei und nehme mir wirklich viel Zeit. Vielleicht klappt ja ein Bier in Nürnberg

  3. Avatar von wortpresse2012 wortpresse2012 Says:

    Danke für diesen Artikel! Obwohl ich Dylan schon lange kenne und viel höre, habe ich erst kürzlich von diesem Konzert erfahren. Die enorme Symbolik war mir nicht bewusst. Tolle Setlist. Muss etwas sehr Besonderes gewesen sein, an diesem Ort Songs wie Masters of War oder It’s Alright Ma zu hören (und erst zu spielen!).

    Ich denke, bei Dylan gibt es noch viel zu entdecken. Neulich las ich in einem Youtube-Kommentar: Er hat mit 22 Zeilen geschrieben, für die andere ein Leben lang brauchen, um sie zu verstehen.

    Hier schreibe ich über Dylan-Songs:https://spiritualitaet-dresden.de/archives/tag/bob-dylan/

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