Leipzig hat in Sachen Kirchen einiges zu bieten, aber bei einem Kurzbesuch hatte ich nur die Gelegenheit mich mit zwei Gotteshäuser näher zu beschäftigen: Die Thomaskirche und die Universitätskirche. Die Nikolaikirche ließ ich dieses Mal aus, auch weil sie dort seltsame Regeln fürs Fotografieren und Filmen hatten.
Thomaskirche Leipzig
Unbedingt wollte ich den Ort sehen, an dem Johann Sebastian Bach gespielt, der Thomanerchore gesungen und Martin Luther gepredigt hatte. Also besuchte ich die Thomaskirche mit ihrem steilen Dach.

In der Thomaskirche befinden sich seit 1949 die mutmaßlichen Gebeine von Johann Sebastian Bach, die 1949 von der zerstörten Johanniskirche überführt wurden. Von einigen modernen Musikwissenschaftlern wird deren Identität in Zweifel gezogen und ein DNA-Vergleich mit den zweifelsfrei erhaltenen Knochen seines Sohns Carl Philipp Emanuel gefordert; ein solcher ist bislang nicht erfolgt. Ich kann es nicht beurteilen, aber die potentielle Grabstelle ist auf jeden Fall ein großer Publikumsmagnet. Die Kirche hat einen hervorragenden Klang und es gibt zahlreiche Konzertaufnahmen. Ich habe mich für für Lang Lang und den Goldberg Variationen entschieden. Lang Langs erstes Barock Album enthält gleich zwei Interpretationen der Goldberg-Variationen, die einander zwar ähneln, doch in ihrer Individualität unterschiedlicher kaum sein könnten: Eine Fassung entstand in mehreren Etappen und unter klanglich ausgeklügelten Voraussetzungen im Studio, die andere kurz zuvor in einem einzigen Take während eines Konzertes in der berühmten Leipziger Thomaskirche.





Aber auch bitte einmal einen Blick auf die Kirchenfenster der Südseite werfen. Wir sehen unter anderem Felix Mendelssohn Bartholdy, aber auch unseren Bach und natürlich Martin Luther. Und es gibt immer ein paar Deppen: In der Silvesternacht 2019/2020 warf ein – inzwischen gefasster – Täter mehrere Fenster der Kirche, darunter das Rosettenfenster über dem Westportal, sowie einige weitere wertvolle vom Ende des 19. Jahrhunderts, mit Pflastersteinen ein. Dafür hab ich absolut kein Verständnis für die Zerstörung von Kunst.
Universitätskirche Leipzig
Da wir gerade beim Zerstören von Kunstwerken sind, hat der DDR-Sozialismus auch seinen Anteil in Leipzig. Weil dem Spitzbart Ulbrich die Universitätskirche ein Dorn im Auge war, ließ er sie von seinen Spießgenossen abreißen.

Unter dem Protest zahlreicher Bürger wurde die Kirche am 30. Mai 1968 gesprengt, wenig später folgten die angrenzenden Gründerzeitbauten. In den Jahren 1968-73 errichtete ein Architektenkollektiv unter Leitung von Hermann Henselmann einen neuen Campus mit dem Hochhaus als Fortschrittschiffre. Am Ort der Kirche rief das 33 t schwere, bronzene „Marxrelief“ den gesellschaftlichen Aufbruch in den Sozialismus aus, innen sekundiert durch Werner Tübkes Wandbild Arbeiterklasse und Intelligenz.
Nach der politischen Wende 1989 wurde eine abermalige Umgestaltung des innerstädtischen Universitätscampus angestoßen, die in zwei Architekturwettbewerbe mündete. Eine öffentliche Diskussion um die Erinnerungshaltung gegenüber den Vorgängerbauten begleitete den Planungsprozess, ohne dass die Forderung nach der Rekonstruktion der Universitätskirche eine Mehrheit auf sich vereint hätte. Den zweiten
Architekturwettbewerb der Jahre 2003/04 gewann der Rotterdamer Architekt Erick van Egeraat mit einer „modernen Paraphrase“ der Vorgängerbauten, realisiert 2007-2017. In den nachgebildeten spätgotischen Kirchenraum wurden die sorgsam restaurierten Kunstwerke, u.a. der Altar und ausgewählte Epitaphien, sowie zwei neue Orgeln eingebracht. Der Raum dient als Aula, Kirche und Konzertsaal.




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