80 Jahre Lügenbaron Münchhausen im Film

Am 3. März 1943 kam es zur Premiere des Films Münchhausen im Berliner UFA Filmpalast. Das als Leistungsschau angelegte Großprojekt glänzte mit neuer Farbtechnik, mit beeindruckenden Trick Aufnahmen und einer hochkarätigen Besetzung. Anlässlich des 80jährigen Jubiläums des Films durfte ich ein Onlineseminar durchführen und verwies auf die restaurierte Fassung des Murnau Stiftung, die ich ausdrücklich empfehlen will. Zudem möchte ich den Katalog zu 100 Jahre Ufa empfehlen.

1943 Mitten im Zweiten Weltkrieg ließ Propagandaminister Joseph Goebbels den bis dato teuersten Unterhaltungsfilm der Nazi-Zeit drehen. Bis heute wird diskutiert, ob der Film auch subtile Kritik am NS-Staat enthielt. Vier Wochen nach der Kapitulation der sechsten Armee in Stalingrad, 14 Tage nach Goebbels Sportpalast Rede zum totalen Krieg, zeigte die Premiere des Films ein trügerisches Bild von Normalität inmitten des beginnenden Zusammenbruchs des so genannten Dritten Reichs.

Der Film sollte 1943 zum 25-jährigen Jubiläum des Filmkonzerns Ufa die Leistungskraft des deutschen Kinos bezeugen.
Propagandaminister Goebbels hatte das übliche Kostenlimit aufgehoben und eine Sondergenehmigung erteilt, damit ein erstklassiger, aber offiziell verbotener Autor das Drehbuch schreiben konnte: Erich Kästner. Er schrieb nach de Krieg über den Auftrag: „Man trat damals an mich heran, für das 25-jährige Jubiläum der Ufa einen Jubiläumsfilm zu schreiben, na und da schlug ich Münchhausen vor. Und es war ja auch sehr gut, dass ich mal wieder ein Angebot hatte, denn vom Nägelkauen kann der Mensch nicht leben.“

Kästner hatte unter den Nazis gelitten. Am 10. Mai 1933 warfen bei der zentralen Veranstaltung in Berlin nationalsozialistische Studenten und Professoren und ihre Sympathisanten auf dem Opernplatz in Berlin eine große Anzahl von Büchern ins Feuer. Erich Kästner, einer der geächteten Autoren, schaute sich die Verbrennung in Berlin persönlich an. Er schreibt später: „Ich stand vor der Universität, eingekeilt zwischen Studenten in SA-Uniform, den Blüten der Nation, sah unsere Bücher in die zuckenden Flammen fliegen.“

Goebbels schätzte Kästners Gedichte, und gute Filmautoren waren in Deutschland rar, nachdem die Nazis die besten vertrieben hatten. Der NS-Propagandaminister wollte einen Film, der Hollywood Paroli und zugleich Ablenkung vom Krieg bieten sollte.

Aber Kästner hatte im Drehbuch auch Kritik am NS-Regime untergebracht. Als Schlüsselszene gilt ein Dialog, in dem der zwielichtige Graf Cagliostro Münchhausen für seine Eroberungspläne gewinnen will: „Wenn wir erst Kurland haben, pflücken wir Polen. Dann werden wir König.“ – „In einem werden wir zwei uns nie verstehen. Sie wollen herrschen, ich will leben. Abenteuer, Krieg, fremde Länder, schöne Frauen, ich brauche das alles. Sie aber missbrauchen es.“
Doch der verschlagene, Wucherzinsen nehmende Cagliostro trägt deutlich antisemitische Züge. Ihn verkörpert außerdem Ferdinand Marian, der die Titelrolle im antisemitischen Hetzfilm „Jud Süß“ gespielt hatte.

Hauptdarsteller Hans Albers, der gemeinsame Auftritte mit Nazi-Größen vermied, war aber als Kinostar war beim Publikum beliebt. Und als direkte Anspielung auf den Gestapo-Terror wird oft jene Szene angeführt, in der Casanova Münchhausen in Venedig vor der Verfolgung warnt: „Venedig ist im Karneval ein gutes Versteck, seien Sie aber trotzdem vorsichtig. Die Staatsinquisition hat zehntausend Augen und Arme, und sie hat die Macht, Recht und Unrecht zu tun, ganz wie es ihr beliebt.“
In einer weiteren Szene philosophiert Münchhausen über eine Billardkugel. Sie werde gestoßen und wisse gar nicht, wie es mit ihr geschieht. Dies sei die gleiche Einstellung wie diejenige der Menschen, die fatalistisch und ohnmächtig einfach nur noch versucht haben, im nationalsozialistischen Deutschland durchzukommen.

Als Münchhausens Diener Christian Kuchenreutter nach einer langen Reise wieder nach Hause zurückkehrt, erkennt er gar nicht den jüngsten Sproß seiner Familie. Das ist wohl eine kritische Reminiszenz an die Fronturlaube von Soldaten.
Der Film endet mit der Reise zum Mond. Ein Jahr dauert auf dem Mond nur ein Tag. Somit wäre auf dem Mond ein tausendjähriges Reich schon nach knapp drei Jahren beendet. Dadurch zeigte der Film, das auch das Dritte Reich irgendwann vorübergehen würde.

Die Farben des Films
Goebbels ließ über die neutrale Schweiz Technicolor-Kopien von unter anderem Gone with the Wind (1939) und The Thief of Baghdad (1940) organisieren, um das Team um Regisseur Josef von Baky zu inspirieren. Und das sieht man dem Münchhausen-Film denn auch deutlich an. Dr Film wurde in Zusammenarbeit der Murnau Stiftung und Arri München aufwändig digital in 4 K restauriert. Dank der Farbberatung durch Professorin Dr. Barbara Flückiger von der Universität Zürich wurde sichergestellt, dass der Film nicht modern, sondern moderat in den damaligen Farbwerten restauriert wurde. Während das bis dahin übliche dreistreifige Technicolor Verfahren aus den USA eher bunt war, konnte das neu entwickelte Agfacolor (Farbenfilm genannt) mit pastelligen Tönen mehr Natürlichkeit und einfachere Kameras sicherstellen.

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