Heftig: AOL gibt den Standort Deutschland auf. Wieder ein Dino, der zusammenbricht und sich überlebt hat. Das Unternehmen schließt nach 15 Jahren die Büros in Hamburg, Düsseldorf, Frankfurt und München. 140 Mitarbeiter stehen auf der Straße. Der Rest von Europa wird wohl auch zugemacht, bzw. zusammengestrichen. Nachdem Compuserve seinen Dienst komplett eingestellt hat, beginnt beim ehemaligen Mitbewerber AOL nun das Zittern. AOL – früher America Online – ist noch lange nicht am Ende. AdTech, auch zum AOL-Konzern gehörend, wird weitergeführt und bringt auch gutes Geld.
Die deutschen Schließungen sind Teil eines weltweiten Restrukturierungsprogramms, wie es im Managerdeutsch heißt. Nach Strukturänderungen geht die Geschäftsführung nun an die Kosten ran, Kostenmanagement, genannt oder einfach gesagt: Zumachen.
Der Dienst von AOL hat mich neben Compuserve früher ins Netz gebracht. Der Provider verschaffte mir den Zugang zum Internet – und ganz genial: Wenn ich mal auf Reisen in den USA war, dann funktionierte die Software auch. Wie begeistert war ich über die Meldung „Sie haben Post“. Aus diesem Spruch entstand auch mal ein Film. „E-Mail für dich“ lautete die blöde Übersetzung. So richtig populär wurde AOL durch Boris Becker. Die Werbung „Ich bin drin“ war genial und sollte zeigen, wie einfach es ist, ins Internet zu gehen. Der Einstieg ins digitale Kommunikationszeitalter begann und es war genial. AOL war hier ein wichtiger Teil und dafür gebührt dem Unternehmen mein Dank.
AOL gab es auf wunderbaren kostenlosen CDs und als Mac-User war ich immer etwas benachteiligt. Die Konfiguration war anfangs für uns Mac-Kollegen etwas schwierig, vor allem, weil ich ja auch Compuserve parallel als Provider nutzen wollte. Lange kämpfte ich mich mit der Version in der Classic-Umgebung ab und als endlich AOL für Mac OSX erschien, war der AOL-Zauber für mich vorbei. AOL war nur noch Bestandteil von großen Marketingaktionen, wie der Umbenennung zur AOL-Arena. Eindrucksvoll für mich, die ganzseitige Anzeige von AOL in der Welt. Die gesamte Titelseite hatte die blaue AOL-Farbe und es muss ein Schweinegeld gekostet haben. Die Welt-Ausgabe habe ich mir extra aufgehoben. Damals hatte AOL noch Geld, richtig Geld und Google war ein kleines Fischchen im Datenmeer.
Was ist bei mir übrig geblieben von AOL? Außer dem Becker-Spot bei YouTube nur drei Magnete. Vor Jahren und es muss wohl Weihnachten 2000 gewesen sein, verschenkte die AOL-Pressestelle drei Magnete für den Kühlschrank: Einen Frosch, einen Tannenbaum und das AOL-Logo. Bei all den Umzügen sind die Magnete mitgewandert. Im Moment hängen sie am Türstock zum Esszimmer. Ein würdiges Ende für mein AOL.
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14. Januar 2010 um 7:35 |
Schöne Erinnerungen; fühlt sich an, also würde der Opa seinen Enkeln eine alte Geschichte erzählen – obwohl es erst ein paar Jahre her ist. Obwohl AOL ganz am Anfang sicherlich ein Pionier war und das Internet für die breite Masse mit erschlossen hat – mit AOL verbinden mich nicht nur positive Erinnerungen. Bis heute ignoriert AOL in vielen Bereichen die Standards und quält nicht-AOL-User und Webmaster bis aufs Blut, beispielsweise mit seinen undifferenzierten und rabiaten Spamfilter-Methoden. Ein 1&1-Kunde verschickt Spam? Was soll’s, sperren wir gleich mal alle 1&1-Kunden für eine Woche komplett aus. Oder die Qual für Webmaster, ihre Anwendungen auch noch für den letzten Uralt-Browser lauffähig zu halten, der bei AOL immer noch offiziell eingesetzt wird.
Insofern habe ich doch recht gemischte Gefühle bei dieser Meldung: Einerseits geht es mal wieder um einem der Internet-Pioniere, andererseits kann ich mich auch einer gewissen Schadenfreude nicht erwehren. Leid tut es mir auf jeden Fall um die Kollegen, die bei AOL ihren Job verlieren werden.
7. September 2010 um 1:48 |
[…] gefunden. Dort halten sie wichtige Aufzeichnungen für meine Arbeit fest. Sie lösen damit alte AOL Magnete ab, die in Rente geschickt werden. Jetzt muss ich nur noch die Reihenfolge klären, wie die Apps […]