Gedanken zur Trauerfeier von Robert Enke

 

Bild.de und Robert Enke

Keine Frage: Der Selbstmord des Nationaltorhüters Robert Enke ist tragisch. Depression ist eine Krankheit, die behandelt werden muss. Vielleicht ändert sich durch den Freitod des Fußballers der Umgang mit Krankheiten in unserer Gesellschaft. Viele Menschen verzweifeln aufgrund ihrer Depressionen oder stürzen ihre Familien ins Unglück. Wenn sich durch den Tod von Enke und die öffentliche Diskussion darüber darin etwas ändert, ist das gut.

Die Familie Enke hatte ihre Probleme und sie hat sie für sich behalten. Das war ihre Entscheidung und muss respektiert werden. Großen Respekt für Frau Enke, die das Klischee der doofen Spielerfrau grundlegend revidierte. Teresa Enke ist eine starke Ehefrau und Partnerin, chapeau.

Was auch klar wurde: Der Tod des Nationaltortüters ist Medienereignis erster Güte. Dennoch: Für mich haben die Medien die Verhältnismäßigkeit in ihrer Berichterstattung am Volkstrauertag verloren. Bei allem Respekt: Er war ein Torhüter, ein Sportler, sicherlich ein großartiger Mensch. Zwar waren die Kollegen anders als bei Michael Jackson zurückhaltender in ihrer Berichterstattung. Doch aus der Trauerfeier im Stadion von Hannover 96 ein mediales Massenereignis zu machen, halte ich falsch. Die Pressekonferenz und die Trauerfeier in der Marktkirche zu Hannover hätten gereicht.

Musste diese Trauerfeier aus dem Stadion wirklich sein?

Die ARD und ntv übertrugen die Trauerfeier live aus dem Stadion. 40.000 waren in Hannover dabei. Die Zeremonie war würdig, Reinhold Beckmann moderierte zurückhaltend. Bild.de ging einen Schritt weiter, nutze alle Möglichkeiten von Web 2.0: Es wurde die ganze Woche über den Tod von Enke berichtet. Am Sonntag kam dann ein Live-Stream aus Hannover auf die Website. Hinzu wurde „You´ll never walk alone“ als Audiofile eingespielt. Bei Facebook konnten die Fans bei Bild kondolieren, wobei einige Trottel wieder die Würde mit ihren Bemerkungen störten.

Der Tod als Medienereignis und alle machen mit, auch Volltrottel. Der FacebookFeed riss nicht ab. Viele Menschen wollten ihre Gefühle mitteilen. Und das Mitgefühl ist unglaublich. Es ist eine eindrucksvolle Anteilnahme.

Fest steht: Fußball ist nicht alles. Wir müssen unsere Wertvorstellung von Leistung und Erfolg ändern, dann gehen nicht so viele Menschen daran kaputt. Die Welt ist nicht im Lot. Erfolg ist nicht das Wichtigste im Leben. Wer schwach ist, muss Angst vor der Öffentlichkeit haben. Wer seine Angst zeigt, der ist nicht schwach: Der ist stark.

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2 Antworten to “Gedanken zur Trauerfeier von Robert Enke”

  1. Avatar von Markus Markus Says:

    Danke für diese klare Zusammenfassung und noch gleich ein Lob an die sachliche Betrachtungsweise. Es gibt kaum mehr zu sagen. Der Tod (zumindest der reale) als mediales Großereignis ist in meinen Augen völlig geschmacklos. Einzig Gutes an der Massen-Pseudo-Trauer ist wie im Blog erwähnt die Sensibilisierung für die Krankheit Depression.

    Vielleicht gewinnen ja wenigstens ein paar Leute etwas an Feingefühl durch das ganze Spektakel dazu. Ansonsten bleibt zu hoffen, dass die eine oder andere Redaktion sowie die „hauptsache-Quatsch“-Schreiber irgendwann erkennen, dass es auch Themen gibt bei denen etwas mehr Zurückhaltung angebracht wäre. Wobei diese Hoffnung unter einem Berg von Feeds und Blogs sowie Live-Übertragungen vergraben liegt die etwas anderes erwarten lassen. Es gilt also weiterhin: „You’ll never walk alone“…

  2. Avatar von californiasammy stonesand Says:

    „Wer seine Angst zeigt, der ist nicht schwach: Der ist stark.“

    Theoretisch richtig. Jedoch praktisch nicht. In unserer Gesellschaft zählt nur eines, nämlich Leistung! Von der Grundschule, Gymnasium, bis zum Studium wird auf die Leistung geschaut, und mit ihr selektiert. Nur wer Leistung, oder manchmal auf sein Vitamin B vertrauen kann, hat später im Job den nötigen Erfolg.
    Angst, Schwäche oder Depressionen haben im CV, oder gar wie in Enkes Fall nichts zu suchen, und wenn sie dort zu finden sind, werden sie nicht respektiert. Siehe Fall Deisler:

    http://stonesand.wordpress.com/2009/10/06/der-deprimierte-fusballstar/

    Die Medien kreieren bedauerlicherweise folgendes Menschenbild: Jeder muss erfolgreich, reich, schön und dazu noch glücklich sein. Das paradoxe ist, dass die Mehrheit der Menschen nach diesem Bild strebt, es aber niemals erreichen wird. Das Ergebnis kann unter anderem dann Depression heißen. Wenn ich dies richtig erkannt habe, streben wir doch alle nach Maslow nach Selbstverwirklichung. Wie auch immer diese sein mag.

    „Die Welt ist nicht im Lot.“ Richtig erkannt. Dies wird sich aber auch nicht so schnell ändern. Denn jeder ist meistens sich nur am nächsten. Hoffentlich ändern sich dies, zu erwarten ist es aber nicht. Denn der Mensch war und bleibt ein Egoist. Oder gibt es heute etwa noch Menschen wie Mutter Theresa, Martin Luther King oder Albert Schweizer?
    Falls ja, dann werden sie doch insgeheim belächelt, oder etwa nicht ?

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