Der Fernsehfilm Rosenthal aus dem Jahr 2025 widmet sich dem Leben des beliebten deutschen Showmasters Hans Rosenthal, bekannt durch die Unterhaltungssendung Dalli Dalli. Unter der Regie von Oliver Haffner (Wackersdorf) und basierend auf dem Drehbuch von Gernot Krää, beleuchtet der Film einen entscheidenden Moment in Rosenthals Karriere und persönlichem Leben. Ich war auf der Premiere vor der ZDF-Ausstahlung im Rahmen des Filmfests München in das Audimax der Hochschule für Fernsehen und Film (HFF) eingeladen.

Eigentlich wollte ich ein Seminar zum Thema Hans Rosenthal machen, doch mein Kooperationspartner sprang erst einmal ab. Schade, denn der 100. Geburtstag von Rosenthal wäre es ein guter Anlass gewesen. Der stets fröhliche Entertainer, der seinen jüdischen Hintergrund immer heruntergespielt und sich der vorherrschenden deutschen Verdrängungsmentalität angepasst hat, steht in diesem Film vor einer existenziellen Zerreißprobe. Mal sehen, ob sich noch etwas machen lässt.

Worum geht es in dem TV-Film? Im Herbst 1978 steht die 75. Jubiläumsausgabe von Dalli Dalli an, die ausgerechnet auf den 9. November fällt – den Tag der ersten offiziellen Gedenkveranstaltung zu den Novemberpogromen von 1938. Hans Rosenthal, gespielt von Florian Lukas, sieht sich in einem tiefen inneren Konflikt: Soll er an diesem bedeutenden Gedenktag eine Unterhaltungssendung moderieren oder seiner persönlichen Geschichte und der jüdischen Gemeinschaft Rechnung tragen? Der Film zeigt eindrucksvoll Rosenthals Zerrissenheit zwischen seiner öffentlichen Rolle als Entertainer und seiner privaten Vergangenheit als jüdischer Holocaust-Überlebender.

Schauspielerische Leistung
Florian Lukas verkörpert Hans Rosenthal mit bemerkenswerter Tiefe und Authentizität. Er fängt die innere Zerrissenheit und den emotionalen Zwiespalt des Entertainers nuanciert ein. Silke Bodenbender in der Rolle von Traudl Rosenthal ergänzt das Ensemble mit einer einfühlsamen Darstellung der unterstützenden Ehefrau. Claude Heinrich überzeugt als junger Hans Rosenthal in den Rückblenden, die dem Zuschauer Einblicke in die prägenden Erlebnisse seiner Jugend gewähren.
Ich konnte am Rande der Feierlichkeiten kurz mit Regisseur Oliver Haffner sprechen und ihn für seine Leistung gratulieren. Oliver Haffner gelingt es, die komplexe Thematik sensibel und dennoch kraftvoll zu inszenieren. Das Drehbuch von Gernot Krää verbindet geschickt die verschiedenen Zeitebenen und schafft es, die Spannung zwischen Vergangenheit und Gegenwart spürbar zu machen. Die Dialoge sind prägnant und authentisch, wodurch die Charaktere lebendig und nachvollziehbar wirken. In einem ausführlichen Filmgespräch erzählte Haffner von seiner Motivation. Bedrückend für mich war sein Bekenntnis, dass er bis zum seinem 18. Lebensjahr das Wort Jude nicht in den Mund nahm.
Oliver Haffner ist für mich absolutes Talent. Er wurde am 4. April 1974 in Germersheim geboren, wuchs in München auf und hat sich als deutscher Film- und Theaterregisseur sowie Drehbuchautor einen Namen gemacht. Nach dem Abitur begann er ein Studium der Politikwissenschaft an der Ludwig-Maximilians-Universität München, wechselte jedoch später ans Wiener Max Reinhardt Seminar, um Theaterregie zu studieren. Anschließend sammelte er erste Erfahrungen als Regieassistent am Wiener Burgtheater und inszenierte danach als freier Regisseur an verschiedenen deutschsprachigen Bühnen, darunter die Wiener Festwochen, das Pfalztheater Kaiserslautern und das Schauspielhaus Bochum.
Parallel dazu absolvierte Haffner ein Studium der Spielfilmregie an der Hochschule für Fernsehen und Film München. Sein Abschlussfilm Mein Leben im Off (2010) wurde mit mehreren Publikumspreisen ausgezeichnet, unter anderem beim FILMZ Festival des deutschen Kinos und den Biberacher Filmfestspielen. Mit Ein Geschenk der Götter (2014) setzte er seinen Erfolg fort; der Film erhielt den Publikumspreis beim Filmfest München sowie den Goldenen Biber als bester Film bei den Biberacher Filmfestspielen. Sein Spielfilm Wackersdorf (2018), der den Widerstand gegen den Bau einer atomaren Wiederaufbereitungsanlage thematisiert, wurde ebenfalls mehrfach prämiert, darunter mit dem Publikumspreis des Filmfests München und dem Bayerischen Filmpreis. Ich hab mir ein Autogramm auf die Bluray geben lassen.

Neben seiner Tätigkeit als Regisseur und Autor ist Haffner Professor für Filmschauspiel und Studiendekan an der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf in Potsdam. Er lebt und arbeitet in München und Berlin. Ausführlich danke Haffner auf der Bühne seinem Team.
Visuelle Umsetzung
Die Kameraarbeit von Kaspar Kaven fängt die Atmosphäre der späten 1970er Jahre treffend ein. Besonders die Szenen in den Fernsehstudios und die detailgetreue Nachbildung der Dalli Dalli-Kulisse lassen die Zuschauer in die damalige Zeit eintauchen. Als Kind schaute ich mit meinen Eltern immer Dalli-Dalli, war natürlich mit Dalli-Klick und „das war Spitze“ vertraut. Somit war der Film auch eine Zeitreise in meine Jugend. Ich kann mich nicht erinnern, dass der jüdische Glaube von Rosenthal bei uns in der Familie thematisiert wurde, obwohl ich in einem politischen Haushalt aufwachsen bin. Bei uns war die deutsche Teilung und der RAF-Terror eher ein Thema in den siebziger Jahren.
Beim Ansehen des Films ertappte ich mich, dass ich das Dalli Dalli-Thema mitsummte, wie viele andere im Audimax der HFF auch.
Die musikalische Untermalung von Lorenz Dangel und Fabian Zeidler unterstützt die emotionale Tiefe des Films ohne aufdringlich zu wirken. Die bekannten Melodien aus Dalli Dalli werden dezent integriert und schaffen eine Verbindung zwischen Rosenthals öffentlichem und privatem Leben.
Für mich ist Rosenthal ein bewegendes Biopic, das nicht nur das Leben eines der bekanntesten deutschen Entertainer würdigt, sondern auch die Herausforderungen und inneren Konflikte eines jüdischen Künstlers in der deutschen Nachkriegsgesellschaft beleuchtet. Der Film regte mich zum Nachdenken an und erinnert mich daran, wie wichtig es ist, sich der eigenen Geschichte zu stellen und sie mit der Gegenwart zu versöhnen. Ein sehenswertes Werk, das durch herausragende schauspielerische Leistungen und eine einfühlsame Inszenierung überzeugt.
Er wurde im Rahmen des Filmfest München 365 gezeigt. Der Leiter des Filmfests München Christoph Gröner und die künstlerische Co-Leiterin Julia Weigl begrüßten das Publikum in Audimax der HFF zur Vorführung des Films.
19. April 2025 um 8:11 |
Ganz so dolle fand ich den Film nicht. Traudl Rosenthal sagt zu ihrem Mann, du wirst schon die richtigen Entscheidungen treffen. Ich kenne Frau Rosenthal nicht, aber bei uns ging das anders zu.
Klingt eher, wie sich jemand, der die siebziger nicht kennt, sie sich heute vorstellen würde.
Ich bin 1974 zur Schule gekommen. Schon in der sechsten Klasse hatten wir das Thema Reichskristallnacht. Von wegen Verdrängung. Meine Tochter ist heute in der elften Klasse. Ich denke, so intensiv wie damals wurde das Thema heute nicht mehr behandelt.
Ansonsten nett, ich halte mich aber lieber an sein Buch. Dem SWR hat er Anfang der achtziger ein tolles Interview gegeben. Lohnt sich.
https://www.swr.de/swrkultur/wissen/archivradio/hans-rosenthal-zwei-leben-in-deutschland-104.html
19. April 2025 um 8:14 |
Danke für den Input. Bei uns in der Familie sagten wir Reichspogromnacht.